Der Verlust des Mitgefühls                                                                 von Frank Sacco                                                                                                            

Dieser Verlust ist Gott sei Dank wohl nie komplett zu beklagen. Im Milgram- Experiment folterten normale Bürger andere Menschen auf einen Befehl einer Autoritätsperson hin mit Stromstößen teilweise bis zum Beinahe-Tod. Sie wussten nicht, dass die von ihnen „Gequälten“ nur Schauspieler waren. Im Stanford Prison Experiment geschah selbiges. Die Weisung des Versuchsleiters Zimbardo an Studenten, als Pseudowärter eines Pseudogefängnisses, Ordnung bei Pseudogefangenen zu schaffen, mutierte die Studenten innerhalb einer Woche zu ausgewachsenen Sadisten. Es werden  auch sehr „liebe“ Menschen unter den „Tätern“ gewesen sein. Das ist ja gerade das Malheur. Da gibt es in uns den uralten Mechanismus, zu gehorchen. Wer früher als Neandertaler dem Alphatier nicht gehorchte, wurde von der Herde ausgeschlossen oder umgebracht. Ich glaube also, es ist vorwiegend archaische Angst, die ein Gehorchen in gewissen Situationen geradezu erzwingt, jedes noch so angebrachte Kritik- oder Zweifelgefühl verhindert und aus einem vermeintlichen Kulturmenschen im Handumdrehen einen Mörder macht. „Keiner darf gehorchen“, so mein Mitstreiter Prof. Hasenhüttl.

 

Der Mensch ist demnach sehr einfach  manipulierbar. Eine Autorität  muss ihm einen Auftrag erteilen. Je mehr Autorität sie vermittelt, umso  besser. Die  Angst vor einem „Alphatier“ ist ja schon im Grundsatz vorhanden. Sie kann von ihm verstärkt werden, indem  es  Ängste schürt und sich an einer Stelle möglichst brutal, am besten  folternd  benimmt. Hiermit kann ein Bürger, ja ein ganzes Volk massiv manipuliert werden. Das grundsätzlich vorhandene  Mitgefühl unterbleibt und Hass kommt auf, wenn ein Sündenbock präsentiert wird.  Hitler spricht vom Feindbild, dass ein Politiker aufbauen muss, um sein Volk über die vermittelte große Angst lenkbar zu machen. Dabei müsse man sich auf ein einziges Feindbild beschränken. Hitler reduziert das sogar und vereinfachend auf eine einzige Person: „Der Jude“. Das Volk denke halt einfach. Das ist der grundsätzliche Nachteil jeder Demokratie: Ein dummes oder dumm gemachtes Volk.

Die nach Karl Jaspers größte Angst, die also vor jenseitigen ewigen Strafen, ist demnach fabelhaft geeignet, ein Volk oder den Einzelnen des Mitgefühls und eines kritischen „Verstandes“ zu berauben. Was die Angst  nicht will, lässt der Verstand in den Menschen nicht herein. Ich zitiere gern  Bischof N. Schneider im Facebook. Er droht Kindern, Jesus werde nach einem Richterspruch Sünder auf ewig mit Feuer foltern. Bei  sehr Gläubigen wird das in der Regel  völlig kritiklos aufgenommen, ja ich als Kritiker dieser Äußerung werde mit heftiger Ablehnung und teils mit üblen Beschimpfungen bedacht. Ja es wird für ausgeschlossen gehalten, dass solcherart Folterankündigung überhaupt Kinder krank machen und an einem Sacco-Syndrom erkranken  lassen könne. Die alleinige  Existenz des Syndroms wird standhaft geleugnet. Ich sei ein Idiot, ein Quacksalber. Es wird hier wie selbstverständlich eine völlig harmlose Art von Folterandrohung kreiert. Hier sind wir bei der Berliner Psychiater These (siehe Internet) angelangt, der Paranoia, der  Wahnwelt  von Berliner Psychiatern. Dort meint man, kirchliche Androhung von Folter könne kein Kind krank machen. Das könne erst „das wirkliche Erleben der Hölle“.

 

Wenn ich derart auf Widerstand stoße und meine, hier letztlich  einer Gefahr zu begegnen, der Gefahr, dass „Kulturmenschen“ übelster Folter gegenüber ignorant oder gar zustimmend werden, greife ich sehr ungern aber notgedrungen zum Hitlervergleich. Gerade der vermeintliche Kulturmensch neigt ja zur Angst. Eine direkte  Verantwortung an Auschwitz haben wir Spätgeborenen natürlich nicht, auch wenn man uns gemeine Dinge wie „Tätervolk“ und „Täter-Gen“ nahelegt. Und doch haben wir die spezielle Verantwortung, jeder üblen Grausamkeit Einhalt oder wenigstens Widerspruch zu gebieten. Ich erkläre dann, als Gott mit Feuer zu foltern sei übler, als bspw. mit Gewehrschlägen oder mit Gas. Und als Gott ewig zu foltern sei übler, als über einen begrenzten Zeitraum von gut 12 Jahren hinweg. Die Reaktionen sind heftig. Man verlangt aufgrund dieses Hitlervergleiches den Ausschluss aus einem Blog, man ruft nach den Administratoren oder gleich nach dem großen Bruder Ärztekammer.

Doch dann ist oft schnell Schluss mit der Diskussion. Man hat genug. Es stellt sich eine Furcht ein, einsichtig werden zu müssen und sich meiner Religionskritik, die man fälschlich für verbotene Gottkritik hält, folgen zu müssen. Oder es kommt  die Furcht vor einer Scham auf, die ich hier benenne: Es ist die Scham, nichts aus Auschwitz gelernt zu haben und immer noch gewisser massiver Gewaltanwendung in Form von Folter beizustimmen. Wie groß die Gottangst, wie dünn dadurch die „Decke der Kultur“ besonders auf religiösem Gebiet ist, sieht man an Folgendem: Christen und Juden beten nach Auschwitz einen Gott an, der mit der Sintflut den ersten Holocaust der Geschichte hingelegt haben soll. „Pfui“, wollen wir da rufen. Unsere Kirchenleute lassen unsere Kinder entgegen § 131 StGB die Sintflut feiern! Das ist ein Verbrechen.

 

Wir erkennen hier auch die Grundlage von sog. Religionskriegen. Es gibt sie nicht. Die angeblichen Unterschiede in den Religionen sind nämlich minimal. Sie alle sind aber Systeme von Grausamkeiten. Die Politik bedient sich hier nur massiven religiösen Gefühlen, die auf der allerhöchsten  Autorität fußen, die dem Volk denkbar ist: Den jeweiligen Göttern. Beispiel Hitler: Er glaube, „im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln“. Indem er sich „des Juden erwehre“, kämpfe er „für das Werk des Herrn“. Nie dürfe ein guter Politiker an der Religion seines Volkes rütteln! Der liebe Gott  muss halt für jede große Schweinerei in der Politik herhalten.  

Die Politik  bedient sich auch der Angst vor jenseitigen Strafen durch diese „Götter“. Den Kreuzrittern wurde die Absolution all ihrer Sünden versprochen, wenn sie Moslems töteten. Eine solche  Außenaggressivität ist  heute im Christentum selten geworden. Im Islam ist sie noch verbreitet. Die allgegenwärtige Gottangst führt im Christentum eher zu einer Innenaggessivität mit den Folgen bspw. einer  masochistischen (früher „endogenen“) Depression (Selbstverletzung der Psyche) oder einer  Selbstverletzung des Körpers (einige Süchte, Borderline-Syndrom). Es sind Ödipus-Opfer an die Götter. Es sind Opfer ins Nichts.