Das sexuelle Bollwerk     aus 2020

 

 

Das sexuelle Bollwerk                 

Gedanken zum gleichnamigen Buch des Harry Mulisch      

 

Schon Sigmund Freud hatte sie, die Angst vor Strafen im Jenseits. Es war seine Angst. Die galt es, vor sich selbst  zu verstecken, sie zu leugnen. Ja ein ganzes Gedankengebäude, einen Damm, ein schützendes Bollwerk musste Freud errichten. Immerhin hatte er, da bireligiös aufgewachsen, seine beiden Kindheitsgötter Jahwe und den Christengott getötet. Wie? Mit dem Satz: Religion ist Wahn. So erdachte sich Freud, um nicht an seine eigene große Angst zu stoßen, die Sexualtheorie. Nicht die Angst vor göttlicher Rache, nicht Freuds vorbewusste Angst sollte die größte Angst des Menschen sein, sondern die stattdessen herbeihalluzinierte Kastrationsangst. Die ist jedoch so unbedeutend, ja so lächerlich, dass man die Entfernung des Penis durch den Vater als Analytiker in einer normalen Analyse gar nicht mehr ansprechen mag.  Und dann der Freud’sche, ihn entlarvende  Fehler: Eine Kastration ist die Entfernung der Hoden, und  nicht die des Penis. Hier erkennt man schon eine Denkhemmung.

 

Angst würde aufkommen durch sexuelle Enthaltsamkeit oder einen Coitus interruptus, so Freud. Das Gegenteil ist richtig: Sexualität kann nicht angstfrei erlebt werden, weil sie zu 95 % unter göttliche-katholische-christliche-jüdische Strafe gestellt ist. Die Götter sind also unter den häuslichen Bettdecken keineswegs okkult, sondern immer zuschauend aktiv. Nur zu „reservierten Umarmungen“ darf es unter Eheleuten da kommen (siehe bei Prof. Uta Ranke-Heinemann). Dort, wo man Kindern ihre harmlosen intersexuellen Betätigungen lässt, bei einigen Naturvölkern wie den Trobriandern, da gibt es nach dem Analytiker Wilhelm Reich kaum bzw. keine sog. Perversionen. Da war es den Missionaren noch nicht gelungen, die Gesellschaft zu neurotisieren, die Sexualität zu verhöllen und diese schöne Sache zu einer allgemeinen Krankheit zu machen. Ohne Prostituierte gibt’s Kriege, so Prof. Volkmar Sigusch. Soweit hat uns das Christentum also gebracht. Übrigens: Bei Sigusch lernte ich in Hamburg Sexologie. Das war 1972.

 

Unter Perversionen verstand Freud Sexualität, die als Triebziel nicht das erwachsene Hetero-Gegenüber hat. Beispiele: Onanie, Pädophilie, Sodomie, Homosexualität, Fetischismus, Sadismus etc. So spricht Freud bspw. vom „homosexuellen Komplex“: Ein Trauma auf sexuellem Gebiet, also das oft von ihm angeführte etwas intensive, aber völlig normale und unschuldige  Kuscheln („Inzest“) des Kindes mit der Frau Mama, eine von Oma entdeckte Onanie oder ein Doktorspiel,  ruft quasi als Flucht, als Ausweichsex eine  „Perversion“ hervor. Auch der bihomosexuelle (er hatte 2 Männer) Arzt Magnus Hirschfeld sieht das so: Wenn man die Kirchen in den Griff bekäme, würde es weniger Homosexualität  geben. Bei der hohen Suizidalität (x5) schien ihm das wohl wünschenswert. Von der „Perversion“ grenzt Freud die „Neurose“ ab: Da bleibt nach stattgehabtem Trauma das Triebziel schon das erwachsene Hetero-Pendent. Doch hier zeigen sich sexuelle Ängste in folgenden Krankheiten: Impotenz, Frigidität, Waschzwängen - oder in Dingen wie Migräne. Wilhelm Reich stellte (nach Harry Mulisch) fest: Fast alle seiner Patienten hatten Probleme mit ihren Genitalien. „Der eine konnte nicht ejakulieren, der andere kam zu früh, ein dritter kriegte keinen hoch, ein vierter wollte ihn nicht reinstecken,  und so hatte jeder irgendwas.“ Alle Patientinnen Reichs  erwiesen sich als „vaginal orgastisch gestört“. Ja ist das ein Wunder mit einem lebendigen Gott unter der Bettdecke? Der alles ins Stundenbuch schreibt?? Jeden Fick? Ja haben Götter nichts Besseres zu tun?? Können sie nicht lieber in Auschwitz nach dem Rechten sehen? Und dort aufpassen? Also: „Raus aus unseren Betten“. 

 

Wenn man nun Freuds Konstrukt der Kastrationsangst ersetzt durch des Analytikers eigene große Angst, die Angst des Jahwemörders vor einer ewigen Verdammnis, so geht man den ersten Schritt in die richtige Richtung. Die Kastrationsangst war nur Freuds Bollwerk, sein notdürftiges, angsterrichtetes Dogma gegen die Dogmen  seiner angestammten Religionen. Er wollt nicht in deren „schwarzer Schlammflut“ ertrinken.

 

Jede Religion ist insofern okkult, „verdeckt“ sie ja ihre Götter. Das gilt speziell für die Neuzeit, die es selbst  mittels moderner Kameraoptik nicht schafft, einen Gott vor die Linse zu bekommen. So äußern sich Götter heute ganz besonders okkult. Prälat Davino behauptete 1991, Gott habe beim Pinaturbo-Ausbruch ein „Zeichen“ setzen wollen: Wir sollten bedachtsamer mit der Umwelt umgehen. Es gab mindestens 825 Tote. Kinder brannten lichterloh. Bis ins Fernsehen schaffte es Davinos Gott mit seiner Botschaft allerdings nicht. Die Message wäre dort christlicher und vor allen Dingen ohne die scheußlichen Verbrennungen herübergekommen. Und Kinder haben doch noch nicht so viel an der Umweltbelastung Schuld, dass sich ihre Verbrennung lohnt.  Doch die Frage ist: Warum halten sich die Götter so bedeckt. Gibt es sie etwa gar nicht? Hat sich der Gauner Davino etwa alles aus seinen priesterlich-vatikanischen  Fingern gesaugt?

 

So sucht man  das Wörtchen Hölle bei Freud vergebens. Und wenn man es einmal findet, dann spricht er damit nicht die ewige Verdammnis, nicht sein eigenes Trauma an, sondern irgendetwas Irdisches. Ja der alternde Freud gibt seine Religionskritik vollständig auf. Den Wahn Religion dürfe man Patienten nicht nehmen: Ein weiterer, folgenschwerer  Fehler.

 

Mit seiner katholischen Kinderfrau ging der kleine Freud in „jede Kirche“. Wenn er nach Hause kam, berichtete er der jüdischen Frau Mama, „wie der liebe Gott tut“. Das Kind Freud lernte dort, dass das Gespann Gott und Jesus gar nicht gut auf Juden zu sprechen ist. Er hörte: Mörder an Jesus sollen sie sein und nach Joh. 8,44 als „Söhne des Teufels“ in die ewige heiße Dunkelkammer kommen. Da kann einem jüdischen Kind schon angst und bange werden. Mit seiner Angst vor diesem so „lieben“, aber doch so unlieben Gott, der seine Botschaften lieber über „vollständige Verbrennungen“ anstatt über die Medien kundtut, führte Freud die Psychiatrie in eine 100 – jährige Sackgasse. Zeit also zur Umkehr, liebe Kollegen. Ich helfe da gerne. Mit Vorträgen und Artikeln. Man ist halt kollegial. Der Hippokratische Eid verpflichtet mich sogar dazu. Was ich allerdings nicht verzeihe, ist der Anschlag der etablierten Psychiatrie auf mein Leben. Das ging nun wirklich zu weit.