Einiges aus Bibel und Kirche

 

Eine oder auch die Wahrheit des Menschen ist die Folter. Sie tritt früh an das Kleinkind heran, zum Beispiel in dem Moment, wo der Nachbarssohn einem Maikäfer die Beine einzeln herauszieht. Bei dem Wort „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“, denkt sich das Kind, wie es wohl wäre, wenn ihm selbst die Beine einzeln herausgezogen würden. Die Wahrheit ist dem Kind eine kurze Weile bewusst, wird wegen Unerträglichkeit allerdings schnell verdrängt. Erwachsene, die später von dieser Wahrheit bedrängt werden, gehen oft auf die „Suche nach der Wahrheit“. Man geht einen Pilgerpfad. Es ist dies oft das Trostpflaster, das der Mensch auf seine seelische Haut aufbringt, damit die Realität nicht mehr erkennbar ist. Die praktisch unbegrenzte Reizungsmöglichkeit seiner eigenen Schmerzrezeptoren, sei es durch Menschen oder durch andere Natur, ist für viele gedanklich nicht auszuhalten. Eigentlich für kaum jemanden.

 

Glaube ist nun erst einmal ein Schutz vor Folterfurcht. Er beginnt in dem Moment, wo der Steinzeitmensch die Wahrheit des Menschen, das Gefressenwerden vom Mammut, gedanklich erfassen kann. Er beginnt mit einem primitiven Amulett, das der Steinzeitmensch sich umlegt und sich Schutz von diesem Stückchen Holz erglaubt.

Glaube ist also erst einmal Trost vor dieser Welt und damit auch sinnvoll. Kann man diese Welt ohne Trost aushalten? Beim jüdischen Glauben, den wir im Grunde übernommen haben, weiß man sich von dem mächtigsten und gegenüber den Feinden grausamsten Wesen beschützt. Dieser Glaube der Juden musste im KZ meist zerbrechen. Ich kenne keinen KZ-Insassen, der nicht eine lebenslange Depression gehabt hätte. Diese kommt zum einen durch die erlittenen Grausamkeiten an sich, kann aber auch herrühren von einer nicht verdauten Schuldzuschreibung auf Gott. Eine wirksame „Behandlung“ wurde oft nur im Alkohol gesucht und gefunden.

 

Geistliche sind nun die Erfinder der grausamen Kehrseite unseres Glaubens. Sie nutzen unsere menschliche Schutzbedürftigkeit aus, sich als Beicht-, Vergebungs- und Kontaktinstanz unabdingbar zu machen. Geschickt berichten sie uns von einem angeblich existierenden hitleroiden Gott. In der Toskana sah ich in einer kirchlichen Einrichtung einen „Sünder“ in einem großen Wasserbottich einen bittenden Blick einem Jesus zuwerfen, der ein ewiges Feuer unter dem Bottich angefacht hatte. Ein Dachau-Äquivalent. Muss man Jesus und den vorbeiziehenden Kindern so etwas antun?

In der Kirche meines Heimatortes entstand das Gedicht: „Die Rampe“ bei einem Blick an die Freske unserer Kirchendecke. Etliche meiner Patienten haben es in der Konfirmandenzeit mit Schrecken, wie sie sagen, angeschaut. Einige sind davon krank geworden.

 

 

 

Die Rampe

 

Neun waren sie.

Ziemlich bleich waren sie.

Irgendwie hellgrün / beige,

hatten alles ausziehen müssen.

Von ihren Männern getrennt.

Mit rostigen Zacken trieb man sie

zum Tor, das nur Verdammnis heißen konnte.

Alle Habe verbrennt hinter ihnen.

Der Chef soll eingeteilt haben.

Rechts Leben, links Hölle.

Folterknechte wie Tiere.

Sie schreien nicht.

Ist hier nicht erlaubt.

Gräm Dich nicht, Jesus.

Bist nicht Herr in Deinem Haus.

Es steht unter Denkmalschutz.

 

 

 

 

 

Intentionen meinerseits bei der Kirche, das Bild übermalen zu lassen, ernteten ein Lächeln. Zurzeit (2011) wird es restauriert! Es soll weiterhin sein grausames Werk an Kindern tun.

Der „Spiegel“ hatte am 21.12.2002 eine bemerkenswerte Titelseite und zwar in übergroßen Buchstaben: „Die Erfindung Gottes“. Untertitel: „Archäologen auf den Spuren der Heiligen Schrift“. Danach ist die Bibel ein Werk der intelligenten priesterlichen Oberschicht, ein Werk, sozusagen am Reißbrett entstanden, und, wie könnte es anders sein, mit egoistischen Absichten. Intelligenz ist nicht zwanghaft mit Güte gepaart. Intelligenz ist zwanghaft mit Angst gepaart. Der Intellekt befähigt das menschliche Wesen, sich auszumalen, wie es ist in der Armut, im Hunger und in der Folter. Steckt letztlich Angst hinter der Habgier und der Grausamkeit des Menschen? Was ist geschickter, als sich zur Wahrung eigener Interessen einen Gott auszudenken, der bei Nichtbefolgung der erdachten Richtlinien die Missetäter in der Hölle verbrennen lässt? Was ist geschickter, als die Erlasse als „heilig“ zu betiteln und damit keinerlei Widerspruch zuzulassen, da Widerspruch automatisch in der Hölle endet. Der Erfolg dieser gedanklichen Arbeit des Klerus ist eklatant. Gott hat seit 2000 Jahren, speziell natürlich seit der Erfindung moderner Tonträger, nicht mehr für uns alle hörbar gesprochen und die Bibel ist weiterhin in Mode. Ihre „Heiligkeit“ ist selbst nach 1945 kaum angetastet.

 

Ist der Vatikan geschickt, wenn er nun in Anbetracht der langatmigen Schweigsamkeit Gottes gelegentlich spannende Wunder attestiert? Es muss dort lange überlegt werden, bis man Wunder bescheinigt. Es könnte sich ja später herausstellen, dass es keine waren. Es muss lange überlegt werden, bis man jemanden heilig spricht. Es wäre fatal und unklug, einen Lebenden heilig zu sprechen. Er könnte sich später daneben benehmen. Ist Prälat Davino geschickt, wenn er sogar den sprachlosen Gott in und durch Naturkatastrophen sprechen lässt und nun sogar zu so modernen Themen wie Umweltverschmutzung?

 

Etwas voreilig war Mose mit dem Gebot: „Du sollst nicht töten“. Dieser kleine „Patzer“ wurde relativiert, indem man umdeutete, dass man, wenn Gott es möchte, doch töten darf bzw. muss. Noch in der heutigen Zeit wird, bevor es in den Krieg geht, Gott schnell noch aktiviert. Dieser Krieg, praktisch jeder Krieg, ist dann „Gottes Wille“ und wird aus veredelten Gründen geführt. Ein Beispiel aus der Bibel steht bei Richter 11, 14. „Der Herr aber, der Gott Israels, gab Sihon mit seinem ganzen Kriegsvolk in die Hände Israels und sie erschlugen sie. So nahm Israel das ganze Land der Amoriter ein... So hat nun der Herr, der Gott Israels, die Amoriter vertrieben.“ Als „Gott“ auf diese Weise auch die Ammoniter besiegt, bringt der Anführer Jeftah seine Tochter „Gott“ als Brandopfer dar (siehe Angelika Vonier, Pfarrerin, „Nicht geboren, ich zu sagen“, Radius). Er hatte es „Gott“ vorher versprochen. Gott die Liebe wird sich da nicht gefreut haben und er konnte auch keinen Engel schicken, das Elend wie in der Issakgeschichte zu verhindern.

 

Es lässt sich einfach ruhiger töten, wenn man weiß, dass Gott es möchte bzw. er selbst es eigentlich ist, der tötet bzw. vertreibt. Das wissen alle gewissenlosen Politiker. „Gott“ verlangt Kriege gar aus humanitären Gründen. Ein Krieg für mehr „Humanität“, ein Krieg zur Befreiung der Frau von Schleier und Beschneidung zum Beispiel, ist leichter zu ertragen als ein Kampf um Vormachtstellungen und wirtschaftliche Interessen. Busch, der junge Busch, sagte, er sei von Gott gesandt. Man hat ihm das geglaubt. Gegen „Gott“ kämpft es sich nicht so leicht.

Eine gewisse Art der Tötung ist nach unserer heutigen Auffassung auch keine Sünde bzw. kein Verbrechen. Ich denke da an unsere Bundeswehr in Notfall- und Notwehr- und Schlichtungseinsätzen. Panzer sind nun einmal für die Tötung bestimmt und Bomben aus Flugzeugen ebenfalls. Wir hoffen alle, dass die Bundeswehr nur im Notfall bzw. in Notwehr töten wird. Zum Mitwirken bei einem Krieg sind Deutsche einfach bekanntermaßen zu tapfer. Wir kämpfen bis zum letzten Mann. Da haben wir also eindeutig unsere Grenzen. Auch die Waffe am Gürtel eines Polizisten ist zur Tötung bestimmt, zur Tötung in Notwehr.

 

Eigenartigerweise dürfen Ärzte in Deutschland nicht töten. Auch ihnen müsste Tötung im Notfall bzw. als Notwehr gestattet sein, wenn bei Patienten ein übermenschliches Leid vorliegt und es zum Sterben keinerlei Alternative gibt. Ich berichte jetzt von einem meiner Patienten, der den Zweiten Weltkrieg mitgemacht hatte, und von Soldaten erzählte, die man am ganzen Körper verbrannt aus Panzern zog. Die Tötung eines solchen Soldaten war nicht offiziell gestattet, aber mit ansehen konnte das Leid niemand. So war die Tötung inoffiziell geduldet. Diese konnte nicht jeder vornehmen. Man wusste aber von einigen Soldaten, die diese armen Kreaturen erlösen konnten. Sie wurden beispielsweise aus anderen Kompanien geholt und gaben den Gnadenschuss.

 

In meinen Augen ist das leben lassen eines so hoffnungslos leidenden Soldaten eine Verfehlung, wenn Sie wollen, eine christliche Verfehlung. Ich hoffe, meine Leser können sich dieser Meinung anschließen. Aktive Sterbehilfe muss manchmal sein. Wie der Soldat und der Polizist muss auch ein Arzt töten dürfen. Der Soldat tötet zwangsläufig auch Zivilisten und verkrüppelt zwangsläufig auch Kinder und Säuglinge, dann muss es auch dem Arzt gestattet sein, bei übermenschlichem Leid in Notwehr einer grausamen Natur gegenüber, einen Kranken zu erlösen. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ gilt, wie wir sehen, nicht in allen Fällen. Hexen, von der Kirche verbrannt, waren danach doch auch tot.

 

Geht es einem Kleinkind oder Säugling schlecht, das noch keine Sünde begangen hat, so ist die Erbsünde eine an den Haaren herbeigezogene „Erklärung“. Sie ist als Gedanke am Reißbrett entstanden, um z.B. Qualen von Kindern bei tödlichen Erkrankungen als göttliche Bestrafung unter Aufrechterhaltung der Allmachtphantasie deuten zu können. Unschuldige lässt „Gott“ nach Kirchenmeinung nicht grausam sterben. Schuldige Babys lebendig zu verbrennen sei ein Akt einer Superethik, die wir nicht begreifen könnten, so die Kirchen heute.

Intelligent ist ebenfalls die Erschaffung eines, ich möchte sagen überirdischen Gottes, eines Gottes, der sich neuzeitlich nie gezeigt hat und nie zeigen wird. Zuvor, zum Beispiel in Ägypten, waren menschliche Herrscher Götter. Das führte zu ernsten Problemen. Nach dem Tode musste mühselig einbalsamiert werden, um ein Leben nach dem Tode glaubhaft zu machen. Mühselig war auch der Bau der Pyramiden. Sie sollten die Leichname, die keine richtigen gewesen sein sollen, schützen, damit sie dann später wieder lebendig werden konnten. Der biblische Gott ist hingegen ein „perfekter“ Gedanke. Die bloße Behauptung, dass es ihn als schrecklichen Rachegott gibt, hat ihn tausende von Jahren künstlich am Leben erhalten. Immerhin spricht er zu Papst Benedikt XVI. Wenn auch leise.

 

 

 

 

 

Mönch, Akryl auf Leinwand, 2004, F. Sacco
Mönch, Akryl auf Leinwand, 2004, F. Sacco