Die Zeit vor 1918 (die Aufklärung)

 

Das Jahr 1918 sehe ich als Wendepunkt von der religiösen Moderne zur Postmoderne. Man brauchte wieder die Kirche zur gottstellvertretenden Vergebung der Kriegsgräuel. Das sieht auch Papst Benedikt so: „Als der politische Liberalismus aufblühte, gab es innerhalb der Kirche dementsprechend die Auseinandersetzung um den Modernismus... Nach dem Ersten Weltkrieg war das dann plötzlich vorbei.“ Damals sei „unerwartet eine ganz neue Bewusstseinslage“ entstanden, so der Papst. Es ist jedoch eher eine neue Schuldlage gewesen. Zu Viele hatten zu Viele ermordet. Harnack, als großer Meister der liberalen Theologie, habe Karl Barth Platz machen müssen (aus „Salz der Erde“, der Verf.). Mit dem Wort „Modernismus“ versucht Benedikt vergeblich eine Ehrenrettung der jetzigen mittelalterlichen Postmoderne.

 

Wo bleiben aber heute die so wahren Worte eines Nietzsche aus dem „Antichristen“: „...die Begriffe... Jenseits, Jüngstes Gericht... sind Folterinstrumente, es sind Systeme von Grausamkeiten, vermöge deren der Priester Herr wurde, Herr blieb...“ Was nach der Kreuzigung kam, nennt Nietzsche: „Dysangelium“. Ich nenne es, weil es nach Nietzsche seelische Folter ist, ein Verbrechen (nach §241 StGB „Bedrohung“): Mit das grausamste aller Verbrechen: Wehrlosen Kindern eine auf sie eventuell wartende ewige Folterhölle in kirchlicher Massensuggestion einzureden. Die christlichen Kirchen sind damit heute ihr genaues Gegenteil. „Welches schauderhafte Heidentum“, ruft Nietzsche da entsetzt aus. Eltern ist nicht bewusst, dass es da im Kindergottesdienst für ihre empfindsamen Kinder nicht nur Kakao und Kuchen sowie einen großen Topf geistige Nutella gibt, sondern auch lebenslange Schizophrenie, Depressionen und Suchterkrankungen.

 

Höllenglaube, bzw. der Glaube, evtl. in die Hölle zu kommen, wird psychiatrisch nahezu durchgehend irrtümlich als Wahn deklariert. Mit allen Folgen. Es ist jedoch bis zum Beweis des Gegenteils Glaube (Glaube ist Gewissheit ohne Beweise, Amiel). Diese Fehldeutung geht wesentlich auf Freud zurück, der sagt, Religion sei Wahn. Himmelglaube, wie er ja bei vielen phänomenologisch Gesunden vorhanden ist, gilt in der Psychiatrie eigenartigerweise nicht als Wahn. Himmelglaube zieht die Psychiaterdiagnose Schizophrenie und eine eingreifende medikamentöse Therapie eigenartiger Weise nicht nach sich. Manche deutsche himmelgläubige Politikerin würde es sich auch sehr und zu Recht verbitten, wenn ein z.B. ein Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, DGPPN, aus diesem Grund eine psychiatrische stationäre Untersuchung bei ihr betreiben würde.

Kirchen implantieren über Bibel („Das gefährlichste aller Bücher“, so Goethe) und Gesangbücher unverhohlen Kindern Hölle als Glaubensgewissheit und den Ort ihrer möglichen ewigen (Feuer-) Folter als festes Engramm. Dass Kinder serienweise krank werden, wenn sie aus dem gültigen evangelischen Gesangbuch über ihre Hölle im Lied 234: „So wahr ich lebe, spricht dein Gott“ singen oder lesen müssen: „... dein Seel und Leib dort brennen muss“ liegt jenseits der Vorstellungskraft unserer Psychiatrie. Nicht mehr ihre guten Taten, nur die eventuelle „Gnade“ eines Hobbykoches Bibel-Jesus kann Kinder da (nach Luther) noch retten. Luther machte damit, und mit der Teilabschaffung der Absolution und der Beichte, meine evangelische Religion grausamer als die katholische. Er war ein Reaktionär, indem er Kinder der unberechenbaren Gnade dieses Menschenkoches auslieferte. Mit seinen antisemitischen Äußerungen, die Juden seien eine 1400-jährige „Plage, Pestilenz und alles Unglück“ und man müsse ihre Synagogen und Schulen aufbrennen und ihre Häuser zerstören (Gerd Lüdemann, „Das Unheilige in der Heiligens Schrift, zu Klampen), war Luther leider auch ein Vater der Reichskristallnacht und der nachfolgenden Judenverfolgung. Die führenden Nazis waren durch ihn beeinflusst: Julius Streicher berief sich vor dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 1946 auf den „Reformator“. Warum dennoch meine Kirche den Namen Luthers im Kirchennamen (evangelisch-lutherische Kirche) beließ, ist, wie vieles an ihr, völlig unverständlich, so auch das leidige Kapitel Joh. 8/44. Ende 2011 habe ich meine Kirche zu entsprechender Namensänderung aufgefordert. Eine Antwort erhielt ich nicht.

 

Die im Kindbewusstsein nicht zu haltende und daher ins kollektive Unbewusste verschobene größte überhaupt denkbare Angst führt zu Autismus, Asperger-Syndrom, Depression, Schizophrenie, Süchten, Aufmerksamkeitsstörung, Zwängen und Phobien, also zu den bekannten Angstkrankheiten. Psychiatrisch war dies bis 1918 eigentlich schon durch Feststellungen Schopenhauers, Nietzsches, Rilkes, Hegels, Dostojewskis und anderer geklärt. Nietzsche wusste nach einem „flüchtigen Gang“ über die Flure eines psychiatrischen Krankenhauses, woher die Erkrankungen ursächlich kommen, nämlich von den Kirchen. Dann kam es zu einem in der Ursache noch nicht völlig geklärten Rückfall der Psychiatrie in alte Zeiten. G. Hauptmann wusste noch: „Das Christentum ist die Religion der tiefsten Beunruhigung.“ Heute unterhält man sich analytisch nicht mehr mit Schizophrenen bzw.„Wahnkranken“. Man verordnet ihnen bequem lebensgefährliche, ihre Persönlichkeit, ihre Stimmungslage und die Körperform völlig verändernde Neuroleptika. Bezahlen tut ja die Kasse. Eine Tablette Abilify kostet ca. 10 €.

 

Mit meiner Zusammenfassung kirchenbedingter Angstkrankheiten im Sacco-Syndrom, tritt die Psychiatrie wieder ein Stück in die Moderne. In ihr sollte Hirnforschung und Genetik unsere Psychiater und ihre Klienten nicht zunehmend noch weiter entfremden. Statt sich in THS (tiefe elektrische Hirn-Stimulation) depressiver Erkrankungen zu versteigen, sollte die Psychiatrie wieder ihre Propädeutik, ihr Einmaleins lernen.

 

Ich hoffe im Hinblick auf den seelischen Missbrauch der Kirchen, dass er sich in allgemeiner Zusammenarbeit schneller beheben lässt, als die endlose Geschichte des sexuellen Missbrauches. Der konnte sich ja bis heute halten. Aber sein Ende ist in Sicht. Im „Stern“ 15/2010 stand folgende Information über die Schwierigkeiten, in die sexueller Missbrauch sogar den Papst brachte:

Die Tagespost in Würzburg feierte den Ordensgründer Marcial Maciel Degollado 2005 als „eine der bedeutendsten kirchlichen Persönlichkeiten der Gegenwart“. Der „Stern“ betitelt ihn als wohl einen „der schlimmsten Heuchler und Kinderschänder der katholischen Kirche“. 1998 befasste sich als Zuständiger für Kindesmissbrauch Kardinal Josef Ratzinger mit dem Fall. „An die 30 Fälle von Minderjährigen sind bekannt, die er missbraucht und vergewaltigt haben soll... Es könnten auch 100 Jungen sein.“ Und weiter: 1954 tauchten die ersten Gerüchte auf. 1958 wurde die Untersuchung vom Vatikan eingestellt. 1978 schickte der ehemalige Priesterschüler Vaca, ein mit 13 Jahren erstmals missbrauchtes Kind, massive Beschuldigungen an den Vatikan über seinen 13 Jahre währenden Missbrauch. 1981 landeten die Berichte im Vatikan bei dem deutschen Kardinal Ratzinger. Die Dinge wurden dort bis Ende der 90er Jahre vertuscht, das Verfahren zum Jahreswechsel 99/2000 eingestellt. Ratzinger: Der Fall sei „sehr delikat“, weil Maciel vom damaligen „Papst geliebt“ werde. Darf Liebe unter Männern so weit gehen? Als wenn derartige Dinge eine Rolle spielen dürften. Allen Beteiligten wurde „absolutes Stillschweigen“ befohlen. 2008 starb Maciel, dank Benedikt, „unbehelligt“.