Wenn man seinen Kindheitsgott tötet…

Freud hingegen brauchte ein Dogma als Bollwerk gegen seine eigentliche Angst, die Angst vor Jahwes Hölle: Er hatte ja mit den Worten „Religion ist Wahn“ seinen Gott getötet, und das mögen Götter nun mal gar nicht. Freud hatte damit die größte „Sünde“ begangen, die ein Jude verüben kann. Unsere uns klerikal eingeredeten „Götter“ leben im Unbewussten lebenslang als stabiles Engramm weiter und drohen dem Ich mit ewiger Rache. Freud „schickten sie“ nur eine Höllenangstneurose und schwere Schuldgefühle, dem „Gottesmörder“ Nietzsche („wir Mörder aller Mörder“) aber kurz nach der Veröffentlichung seines „Antichrist“ eine jahrelange schwerste Höllenangst-Schizophrenie.

 

Nietzsche hatte seinen „Gott“ zudem noch schwer beleidigt mit dem Satz: „Jesus ist ein Idiot“. Bei seiner Erkrankung ging man zeitlich vor (!) Entdeckung des Krankheitserregers Treponema pallidum davon aus, sie sei Ausdruck einer Syphilis im Stadium III. Wer ihn aber kennt, der weiß: Er hatte es gar nicht so (oft) mit Frauen. Erst 1880 seien Symptome der syphilitischen Paralyse aufgetreten. Nietzsche litt aber schon seit seinem 24. Lebensjahr an Halluzinationen. Mit 24 war er bereits Professor und ein handfester Kirchen- und Gottkritiker mit entsprechenden Schuldgedanken. Freud denkt übrigens im Alter schon weiser über die Wünsche von Frauen: „Die große Frage, die ich trotz meines dreißigjährigen Studiums der weiblichen Seele nicht zu beantworten vermag, lautet: Was will eine Frau eigentlich“? Will sie wirklich den eigenen Penis? Freud wusste es zuletzt selbst nicht mehr. Er soll übrigens nichts von Nietzsche gelesen haben. War ihm Nietzsches „Schuld“ zu nahe, zu nahe bei der seinigen? Ja.


Die Krankheiten der Aufklärer waren Gottangst: ein Sacco-Syndrom


Der Philosoph Eckhart Tolle hält wissenschaftliche Dogmen für kollektive mentale Gefängnisse, in die man sich aber gern zwängt, „weil sie ...ein Gefühl der Sicherheit und das falsche Empfinden vermitteln: „Ich weiß.“ Freud lag falsch und dachte nur, er wisse. Erheben wir also das Sacco-Syndrom nicht auch gleich zu einem Dogma und behaupten wir nicht, Religion sei Grundlage nun jeder auftretenden seelischen Erkrankung, deren Ursache nicht gleich zu entdecken ist. Wie intensiv aber doch unsere Psychiatrie ohne es zu begreifen durch den Sündenbegriff der Kirchen Arbeit bekommt, sei hier erläutert: Die 260 klinischen Fälle, die Sigmund Freud in seiner „Psychopathologie des Alltagslebens“ anführt, lassen sich ausnahmslos in die vier „Sünden“ nach der Bergpredigt ordnen: 57 x Unaufrichtigkeit, 122 x Selbstsucht, 39 x Unreinheit, 42 x Lieblosigkeit (nach Tournier).

 

Die Erfindung des Sündenbegriffes ist ein geschickter Schachzug der Geistlichkeit, muss man doch auf eine eventuelle Vergebung sehr lange warten. Anders ist es bei der einfachen „Schuld“, die meist noch zu Lebzeiten ausgeglichen werden kann. Auch denkt ein Gläubiger beim Wort „Sünde“ sogleich an die „Gnade“ und den „Retter“, die beide nötig sind, diese zu vergeben. Denn ohne die in über 100 Liedern besungene und nur eventuell stattfindende Gnade landet er nach offiziellem heutigem Kirchendogma in der ewigen Hölle, bei einem Gott des Gemetzels. Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche Westfalen, meint, das müsse man „getrost Gott überlassen“, wer „zu den Verlorenen gehören wird“ (im Heft idea Spektrum 14,2012). Das Jüngste Gericht sei wichtig. Sie ist Jahrgang 1963. Alle Dogmen sind indes Menschenwerk, sagt uns dazu der Christ Helmut Schmidt in „Religion in der Verantwortung“. Anders die „Straßenmission glaubensfroher Christen“. In ihrem Heft „Kann man wissen, ob man in den Himmel kommt?“ behaupten sie vor unseren Kindern: „Der Sünder, der nach seinem Tod im unauslöschlichen Flammenmeer der Hölle ewige Pein leidet, erntet genau das, was er gesät hat.“

 

Genau derartige Aussagen führen Empfindliche und Anfällige in eine Wahnkrankheit. Anzeigen sollte man die Straßenmission, die nur so glaubensfroh ist, da sie sehr genau zu wissen glaubt: Wir kommen in den Himmel. Die Deutsche Bischofskonferenz schrieb mir unter dem 16.5.2012: „Ein Kausalzusammenhang zwischen den von Ihnen behaupteten „ekklesiogenen Gesundheitsschäden“ und der Rezeption des biblischen Buches „Offenbarung des Johannes“ ist nirgends valide belegt.“ Daher habe man diese Angelegenheit nicht zur Chefsache erklärt. Ich hatte beklagt, dass die Androhung ewiger Folter z.B. im Buch Johannes derartige Schäden verursacht, ja verursachen muss. Alles andere wäre unlogisch und gegen jede menschliche Erfahrung.

 

Dass diese Schäden nicht valide belegt sind, resultiert aus der Neurose der Psychiater, die die Ursache seelischer Krankheiten allzu gern und in der Regel den Eltern und nicht den Kirchen geben. Das Wort „nirgends“ belegt, wie selten Ärzte zu einer rationalen Kirchenkritik fähig sind und der Kirche oder gar den Staatsanwaltschaften ihre Geschädigten präsentieren. Das wird sich jetzt ändern.

 

Der Platz der Hölle im heutigen Unbewusstenv >