Dr. Margot Käßmann und ihre Kollegen warnen:Kirche macht über ein Sacco-Syndrom krank.

         

Bischöfin Käßmann wertet eine Studie an „etwa“ 10.000 Kindern aus. Im Rahmen des Evangelischen Kirchentages werden die  Gottängste der Kleinen ermittelt und besprochen. Über das Wichtigste davon schreibt die Bischöfin ein Buch: „Wie ist es so im Himmel?“, Herder.  Mit verstehbarem Entsetzen stellt sie fest, dass man als Kirche  die anvertrauten Kinder mit der Geschichte über die Sintflut Gottes schon in der Kita krank macht. Sie schreibt über das Entstehen „ungeheurer Ängste“ vor einem „Gott“, der nach der kirchlichen Lehrmeinung bei seiner Flut alle Kinder dieser Erde mittels Regenwasser ertränkt haben soll. Nun aber zeigt sich: So ein Gottesbild hält kein heutiges Kind aus.

 

Papst Benedikt pflichtet Käßmann bei. Auch er zieht für die Kirchen die Notbremse. Im Buch „Salz der Erde“ berichtet er über Kinder, die man schnell aus der größten Angst des Menschen, der Gottangst herausholen müsse. Fast seien deren Seelen  schon krank, so der Papst. Nun, Käßmann trifft auch auf wirklich kranke, ja so sterbenskranke  Kinder, „wie Luther“. Doch noch gravierender: Das Dogma Hölle führe die Kleinen in „tief existentielle Ängste“, wie Luther sie gehabt habe. Luther war dem Sterben, war dem Suizid  sehr nah. Die Bischöfin weiß, Kindern Ängste zu machen, ist per Gesetz als „schwerwiegender Akt“ verbotene Kindeswohlgefährdung.

 

Hier nun die ärztliche, am Beispiel Luthers beantwortete Frage, wie sich heute ein Sacco-Syndrom am Erkrankten zeigt. Das Syndrom stellt nach Ansicht aller Experten die entsetzlichste psychische Erkrankung dar, die wir Seelsorger und Psychotherapeuten kennen. Luther hatte, immer am Rande des Wahnsinns stehend, Ängste vor einer ewigen Qual in einem „feurigen Pfuhl, in dem das Feuer nicht erlischt“(Markus 9,44ff). Das ist auch die verstehbare Angst der heutigen Kinder. Die Hölle mit ihrer ewigen Strafe ist selbst nach 1945 festgeschriebenes Dogma. Hinter der „existenziellen“ (Todes)-Angst Luthers stand seine große Angst, nach dem Sterben über eine sog. „Auferstehung“ in die Hölle zu kommen. Lange versuchte der Reformator, sündenfrei zu leben, wie es die Bibel von uns allen fordert. Es gelang ihm nicht. Daher quälte er sich masochistisch, um seinem Gott ein Opfer zu bringen.

 

Das kennen wir von Ödipus, der Zeus wegen der Sünde einer vollzogenen Inzucht sein Augenlicht opferte. Und wir kennen heute religiöse körperliche Selbstverletzungen bspw. von der ecclesiogenen Schizophrenie und dem Borderline-Syndrom her. Eine seelische Selbstverletzung stellt die ecclesigene (masochistische) Depression dar. Luther wollte „Gott“ mit diesem Opfer besänftigen. Über einen  Bußgürtel ließ er sich  täglich foltern. Seine befürchteten Fegefeuer- und Höllenstrafen sollten geringer als göttlich geplant ausfallen. Er fürchte „nur“ noch Gott. Er fürchtete den feurigen Pfuhl, in dem man nach dem Priester und Kirchenautor Hans-Werner Deppe froh ist um „jedes nicht brennende Körperteil!“ (1). Deppes Buch wurde hier in der Südheide an Kinder verteilt. Das löste Entsetzen aus. Mütter beklagten bei mir große Ängste ihrer Kinder. Die Polizei machte dieser Kindesmisshandlung  ein Ende. Das Buch wurde aus dem Handel  genommen und das Erzbistum Paderborn zeichnet heute nicht mehr als „Partner“ des Verlages betanien. Luther „wusste“: Nur wenige werden nach der Bibel vom „Retter“ gerettet. Die Heilige Schrift  spricht von 144.000 Seelen. „Jeder Dreißigste“, konstatierte ein Stellvertreter Gottes.  Nun, das gibt unseren Kindern kaum Hoffnung. Besonders Kinder wohlhabender Eltern wissen: Sie kommen nicht durch das berühmte Nadelöhr (Markus 10:25). Man spricht in derart gelagerten Fällen heute von einer Nadelöhrneurose.

 

Wer weiß  besser als Eugen Drewermann und der Oberkirchenrat im Lutherischen Kirchenamt Jürgen Jeziorowski, welche Symptome bei Luther auftraten. Es sind die identischen Ängste, auf die  Käßmann  bei ihren kirchen-geschädigten Kindern trifft. „Gespräche über die Angst“ heißt dann auch das Buch der beiden Theologen. Luther war verzweifelt. Ihn überkamen  Minderwertigkeitsgefühle und Panikzustände. Seine Angst vor der ewigen Hölle würde ihn in eine „Verzweiflung“ führen. Nichts als das „Sterben“ bleibe ihm, also der Suizid.  Er müsse „zur Hölle sinken“ Der „Teufel“ habe ihn gefangen genommen. Tag und Nacht würden ihn Gedanken an seine Sünden quälen „Immer tiefer“ fiel er in Depressionen. Letztlich  halluzinierte er. Nichts „Gutes“ sei mehr in seinem Leben. Etliche seiner Amtsbrüder brachten sich um, obgleich nach dem Dogma die dann zu erwartende Höllenstrafe noch einmal grausamer ausfallen soll.

 

Etliche Religionskritiker landeten wie Hölderlin, Nietzsche und van Gogh im Wahnsinn, so nachzulesen in Drewermanns „Kleriker“. Eindringlich weist auch der mutige Mönch Meinrad Dufner die Amtskirchen auf die Gefahr negativer Gottesbilder hin. In seinem  Recollektiohaus in Münsterschwarzach werden „Gottestäter“ behandelt, also Priester, die Kinder ganzer Gemeinden über fundamentales Predigen zu Sacco-Kranken machen. In seinem Buch ist zu lesen, „Richter“ hätten wir hier auf Erden „genug gehabt“ (4). Die leidigen Geschichten der Sintflut und der Apokalypse disqualifizieren ja auch den Christengott bezüglich  jeden Richtens.

 

Doch nun kommen die Warnungen vor einem Sacco-Syndrom von allerhöchster Stelle. Auch die ehemalige Vizepräsidentin der BÄK Dr. Cornelia  Goesmann schließt sich Käßmann und dem Papst an: Die Kirchen würden über „Grausamkeiten“ krank machen. Daher sei sie ausgetreten. „Aus der katholischen…“ So ist ihr unter anderem nun der Weg zur vergebenden Beichte verschlossen. Auch ihr droht damit nach dem Dogma die ewige Hölle. Wo der Klerus nicht vergibt, vergebe auch Jesus nicht, so die Bibel in Joh. 23. Schlechte religiöse Karten also  für Goesmann. Für „nicht akzeptabel“ hält dann auch die Rechtsmedizin des UKE, Leiter Prof. Püschel, die Androhung der bekannten Höllenstrafen. Doch „bezweifele“ man, dass eine Anzeige bei der Polizei „den Kindern helfen würde“.

 

Kirchen, und dieses Wissen steht bei Käßmann im Vordergrund,  dürfen nicht krank machen. Schon seit Weimar haben sie sich an die Gesetze zu halten, so Prof. Papier ehemals oberster Verfassungsschützer.  Seelisch krank zu machen, gilt in der BRD als „Körperverletzung“. Kinder müssen per Gesetz „gewaltfrei“ und damit selbstredend ohne Jenseitsängste aufgezogen werden. Sozusagen „behutsam“. Nach § 1631 Abs.2 BGB sind „Akte schwerwiegend“, und zu verfolgen, „die dem Kind Angst machen“. Kinder sind empfindlich und glauben nach Superintendent Christian Berndt Klerikern alles. Sie glauben auch den Inhalt radikaler Kirchenlieder, die nach einem mir vorliegenden Attest des Geistlichen Harald Franken „kindergefährdend im Rahmen der Rechtsprechung“ sind.

 

Noch toleriert unser Staat den selbst zugegebenen Fundamentalismus der Amtskirchen: Der Hannoveraner Staatsanwalt Lauenroth stellt unter dem AZ NZS 1161 Js 20506/20 den Amtskirchen im Februar 2020  noch einen Freifahrtschein aus: Krank machen ist erlaubt. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle bestätigte dieses Urteil aus Hannover. Auch dem Jugendamt Hannover, Fachbereich Jugend und Familie, geht die als „unverletzliche deklarierte“ Religionsfreiheit über das Kindeswohl (AZ 51.25, vom 17.6.2020, Unterzeichner „Der Oberbürgermeister“). Das Amt kennt, aber ignoriert § 1631 BGB und damit die Gesetzeslage. Die dem Amt nach SGB (VIII) vorgeschriebene Kindesbefragung Käßmann namentlich bekannter, schwer geschädigter Kinder fand nicht statt. Noch geht dem Staat Kirchen- vor Kinderschutz. Aber wie lange hält er noch durch?

 

Denn wie sich der Staat vor ca. 10 Jahren die Untersuchungen und Bestrafungen des sexuellen Missbrauches gegen die Kirchen erkämpfte, so mag er sich auch bezüglich des seelischen Missbrauches irgendwann gegenüber den Kirchen emanzipieren, so die Befürchtung des Klerus. Denn wissenschaftlich und vor allem juristisch sind reine Glaubensdinge wie Auferstehung, Fegefeuer und Hölle nicht haltbar. Es gibt keine Wunder, so Helmut Schmidt im Buch „Religion in der Verantwortung“. So schreiben mir die Staatsanwaltschaften  Hannover und Freiburg im Br., der Leiter der „Hölle“ und Planer der Apokalypse,  Jesus von Nazareth, sei definitiv tot (2 und 3). Damit drohen die Amtskirchen, und sie wissen das, nun in eigener Täterschaft mit der Hölle.

 

Jetzt wird es also eng für den Kinder schädigenden Fundamentalismus in unseren Kirchen. Niemand weiß das besser als die Kirchenleitungen. Kardinal Marx entschuldigt sich 2013 vor Müttern, Kinder als Kirche krank gemacht zu haben. Man fasst in der BRD bereits eine neue Religion ins Auge, die verfassungs- und strafrechtskonform aufgestellt ist. Man befürchtet, für die Kosten der herbeigeführten Schäden aufkommen zu müssen (Krankenhausaufenthalte, Psychotherapien, Medikamente, Unterbringungen, Renten). Man befürchtet eine ganze Flut von individuellen Schadensersatzforderungen, wie es jetzt bei stattgehabtem sexuellem Missbrauch schon regelmäßig erfolgt. Man befürchtet Kirchenaustritte durch das Bekanntwerden der Wertigkeit des seelischen Missbrauches.

 

Auch ist man in Sorge, dass sich die noch schweigende, den seelischen Missbrauch seit Anbeginn tolerierende etablierte Psychiatrie gegenüber ihrem größten Arbeitgeber, den Kirchen, emanzipieren könne. Bisher erfolgt die  Therapie eines Sacco-Syndroms nahezu ausschließlich durch die verursachenden Kleriker (6). Dorthin überweist die Psychiatrie die Erkrankten, die heute „durch alle Ritzen kommen“ (5). Selbst traut man sich an diese Schwerkranken noch nicht heran. Überhaupt wird die  Psychiatrie die letzte Instanz sein, die der Kirche irgendwelche Vorwürfe macht. Gespräche über Religion und entsprechende Fortbildungen gelten als „verpönt“. Auch wird  die Praktik der Überweisung Schwerkranker zu den Verursachern als korrekt empfunden. Dieses unärztliche Vorgehen, das Ausschleusen Schwerkranker aus dem qualitätsgesicherten Gesundheitssystem,  gilt als „State of Art“.

 

 

Es ist also allerhand im Fluss. Doch wenn kein Geschädigter Anzeige erstattet, wird auch dieser Fluss versiegen…Eine wirkliche Änderung des Status quo geht nur über Strafanzeigen der  Geschädigten.

 

(1)    „Wie wird es in der Hölle sein?“ betanien, von Hans-Werner Deppe, Verlagsinhaber

 

(2)    Staatsanwaltschaft Freiburg im Br.: Amtsanwältin Kieninger von der Staatsanwaltschaft Freiburg i.Br.: Jesus ist keine „existente Person“ (AZ 260 UJs 1098/14). Eine Auferstehung ist juristisch nicht möglich.

 

(3)    Staatsanwaltschaft Hannover: Oberstaatsanwältin Markworth, Jesus ist keine „lebende Person“ (AZ NZS 1181 U Js 10703/19). Ein Jesus steht den Kirchen als Leiter einer Hölle heute nicht mehr zur Verfügung.

 

(4)    Meinrad Dufner in „Gottestäter – Die Gefahr negativer Gottesbilder“.

 

(5)    Die Zeit vom 31. 3. 2010 in „Glauben und Zweifeln“

 

 

(6) Dr. Rüber Winterhoff,  Psychiater aus Celle, auf einer Fortbildungsveranstaltung