Konversionsneurosen / Fibromyalgie              von Frank Sacco

 

  

Vorwort Müller: Fräulein? Was sich wie topaktuelle Kritik am Gendern liest, ist nur das historische "Fräulein" von früher. Anhand von deren Leiden handelt Frank Sacco, Doktor der Medizin, die Konversionsneurosen ab – Man beachte das geheimnisvolle Verbotsschild links oben in dem Bild von Ginger (Captain), No 5 Army Film & Photographic Unit, Wikimedia Commons.

 

Konversionsneurosen               von Frank Sacco

 

Konversionsneurosen sind erlebnisbedingte Erkrankungen, die zu körperlichen Symptomen, z. B. Lähmungen, Stummheit oder Taubheitsgefühlen  führen. Doch seit Freud dies mit dem Namen Hysterie belegte, sind die klassischen Formen selten geworden. Wer gilt schon gern als hysterisch? Die „Hemicranie“, der halbseitige neurotische Kopfschmerz also, ist uns noch erhalten geblieben, ebenso wie die „Ovarie“, der neurotische Unterbauchschmerz der Frauen. Unzweifelhaft leidet man erheblich in einer Konversionsneurose, denn Schmerz und Lähmung sind ja da. Und doch sind es herbeihalluzinierte Eigenproduktionen. Diese machen durchaus einen Sinn, lenken sie doch vom Thema ab, muss man doch gewisse Pflichten nicht ausführen, hat man doch als Kranker Anspruch auf Pflege und kann man durch eingebildetes Leid doch masochistisch eine unbewusste „Schuld“ da abbüßen, wo zu Luthers Zeiten noch der Bußgürtel herhalten musste. Doch statt in eine masochistische Hysterie geht man heute in der Regel in eine masochistische, früher „endogene“  Depression, in der man unbewusst und unerkannt von der heutigen Psychiatrie (Ausnahmen) leiden kann.

 

Die „Schuld“ in der Konversionsneurose (und in der masochistischen Depression) ist bei analytischer Aufdeckung in der Regel ein Fliegenschiss. Es liegen frühkindliche oder auch später stattfindende und meist geradezu lächerliche  Verstöße gegen kulturelle und speziell religiöse Gebote vor. Freud beschreibt ein solches Sacco-Syndrom regelmäßig, z. B. bei der Analyse eines Fräuleins Elisabeth v. R., die eine ganze Bandbreite körperlicher Symptome aufwies. Sie war in ihren Schwager verliebt und hatte nach dem Tod der Schwester für einen Moment den Gedanken: „Jetzt ist er frei, und ich kann seine Frau werden“. Kam dieser Gedanke später an den Rand ihres Bewusstseins, strafte sie sich, indem sie „sich dafür körperliche Schmerzen schuf“ (Sigmund Freud / Joseph Breuer, Studien über Hysterie, Fischer, S.127). Möglich ist auch, dass die verliebte Patientin bezüglich ihres Schwagers sexuelle Phantasien abwehren musste oder solche sogar hegte.

Breuer schreibt uns dazu, dass sich Patienten mit ecclesiogenen Neurosen (heute Sacco-Syndrom) in ihrem „Seelenheil bedroht“ glauben, da sie Gedanken haben können, die „unvereinbar“ mit dem engen Gewissen sind. Breuer wörtlich auf Seite 169: „Dass solcher Konflikt unvereinbarer Vorstellungen pathogen wirkt, ist Sache der täglichen Erfahrung.“ Diese tägliche Erfahrung mache ich ebenfalls werktäglich, andere Psychotherapeuten (Ausnahmen) jedoch nicht bzw. nie, gilt doch ein Sprechen über ursächlich wirkende religiöse Dinge in der Psychiatrie als verpönt:  Dr. M. Lütz,  Chefarzt des Alexianer-Psychiatriekrankenhauses (katholisch) in Köln sagt: In Psycho- Therapeutenkreisen, das müsse man wissen, „redet man nie“ über Religion (Quelle „Gott“, Weltbild). Der Grund: Man habe wohl „schlimme Erfahrungen“ mit Religion gemacht. Es fehle in der Psychiatrie das „transzendentale Denken“, so erklärt Prof. Leuzinger – Bohleber die autistoide Taubstummheit meiner Kollegen (Ausnahmen) in Sachen Religionsschäden. Im Grunde könnte die heutige Psychiatrie froh sein, nun einen Internisten zu haben, der ihnen das Entstehen psychischer Krankheiten erklärt. Doch man bekämpft mich (noch), und das mit unlauteren Mitteln.

Breuer weiter: „Es handelt sich meist um Vorstellungen und Vorgänge des sexuellen Lebens… durch den Konflikt mit der festgewurzelten Vorstellung von sittlicher Reinheit…“ Sexualität hat also schon eine enorme pathogene Potenz, doch nicht etwa in Form einer Kastrationsangst. Elisabeth wies keinen Penis auf. Pathogen wirkt  unsere kulturell und religiös vermittelte Zwangsmoral mit ihrer flächendeckenden gewaltsamen Unterdrückung harmloser kindlicher Sexualität. Noch und gerade wieder heute  müssen Kinder autoerotische „Sünden“ im Beichtstuhl auf die Frage hin offenlegen: „Hast du dich unten angefasst?“ Bei Nichtbeichte erfolgt nach geltendem Dogma, und das sollte allgemein bekannt sein,  jenseitige Strafe. Ja glaubt man denn heute überhaupt noch? Der Ratsvorsitzende Bedford – Strohm beurteilt den Stellenwert unserer Religion richtiger als unsere heutigen Psychiater: "Religion ist tief in der Seele verwurzelt und prägt die Menschen existentiell“. Kardinal Marx: Die große Zeit des Christentums kommt erst. Der Schriftsteller Durs Grünbein aktuell in der Die Welt vom 18.3.2017, S. 27: „Wieder wird skrupellos Opium ans Volk verteilt. Wer aber nicht mitbeten will… fühlt sich nun seltsam halt- und standpunktslos.“

In der Therapie des Fräuleins v. R. ging Freud so vor, dass er ihr erklärte, man könne nichts für seine gedanklichen Eingebungen. Damit stellt er sich gegen das Dogma der Bergpredigt, in der Bibel-Jesus äußert, es sei bei sündigen Gedanken besser, sich ein Auge auszureißen, als in seiner ewigen Hölle zu schmoren. Er ist es also (bzw. seine Erfinder), der für die Erkrankung des Fräuleins v. R. die Verantwortung trägt. Überhaupt lassen sich die 260 klinischen Fälle, die Sigmund Freud in seiner „Psychopathologie des Alltagslebens“  anführt, ausnahmslos in die vier  „Sünden“ nach der Bergpredigt ordnen: 57 x Unaufrichtigkeit, 122 x Selbstsucht, 39 x (sexuelle) Unreinheit, 42 x Lieblosigkeit (Tournier). Der historische Jesus, den ich wegen seines Versuches, die römischen Besatzer aus seinem Vaterland zu vertreiben, sehr schätze, wird nicht der üble, mit Folter drohende Verbrecher gewesen sein, den die Bergpredigt aus ihm macht. Auch soll er mehrfacher Vater, also sexuell recht aktiv gewesen sein.

 

Freud selbst konnte das Vorliegen eines Sacco-Syndroms immer nur beschreiben, es jedoch nie diagnostizieren, litt er nach eigenem Bekunden ja selbst an einer Konversionsneurose. Er halluzinierte sich erlösende Ohnmachten herbei, sobald die Sprache auf einen Gottesmord kam. Freuds „Sünde“: Seine Tötung Jahwes mit dem Satz: „Religion ist Wahn“ (Quelle: Suchmaschinen: „Freud – Ohnmachten“). Immer wenn bei Freud von „Kastrationsangst“ die Rede ist, ist eigentlich, so sehen wir jetzt,  Gottangst das wirklich vorliegende Symptom. Wirklich Heilen konnte Freud also nicht, war ihm doch der Zugang zu der eigentlichen Pathologie psychischer Erkrankungen versperrt, ein Dilemma, das auch die heutige Psychiatrie aufweist (Ausnahmen). Das Resultat: eine Drehtürpsychiatrie, wie wir sie heute haben.

 

2 Antworten auf Konversionsneurosen von Frank Sacco

1. Saco sagt:

24. März 2017 um 17:19

Die Angst vor einer Kastration durch den Vater kommt selbst Analytikern so lächerlich vor, dass man sie in einer Analyse nicht bearbeitet wird. Die Angst vor Gott kommt Analytikern auch lächerlich vor, aber nicht aus einem wissenschaftlich – realem Grund wie bei der Kastrationangst, sondern aufgrund einer eigenen, tief verdrängten Gott-Angst. Diese Angst erklärt die sehr hohe Suizidrate bei Analytikern. Sie solidarisieren sich manchmal mit den Patienten "gegen die Religiion", doch das treibt sie in die Falle des Sacco-Syndroms. Dazu ein Gedicht:

 

Der Heilige Geist –  eine Übertragung

 

"Scheiß Heiliger Geist", sagte er zu ihr,

denn über allem war sie schizophren geworden.

Sie war schizophren gemacht worden.  

Chiron, so hieß ihr Arzt,

und er war Grieche.

Er war im Glauben erzogen,

Anna, so hieß die Erkrankte.  

Gegen den Heiligen Geist hatte sie gesündigt.

In der Kirchenbank mit neun.

In der Heiligen Messe.

Geflucht hatte sie.

Man vergab ihr nicht.

Jesus vergab ihr nicht.  

Scheiß Hölle, sagte Chiron zu ihr,

denn er war zornig.

Scheiß Heiliger Geist.  

So wurde sie denn gesund.

Sie lernte, es zu durchschauen,

das grausamste Spiel dieser Erde.

Das Geschäft der Religionen.

Angst ist das Geschäft

der Männer in schwarz.  

Chiron aber erhängte sich.

 

2. Saco sagt:

27. März 2017 um 12:18

In Facebook kam dieser Artikel gut an, ich verweise da ja immer auf wissenbloggt.de. Man gewöhnt sich langsam an den Sacco, und ich spreche vielen aus dem Herzen: Betroffenen, die irgendwann gemerkt, begriffen  haben, warum sie krank waren, deren Angehörigen und so einigen Atheisten. Reine (gläubige) Humanisten tun sich sehr schwer mit mir, da sie das Bild eines "lieben" Gottes, eines lieben Jesus für ihre Stabilität-benötigen. Auch ist ihnen Gott- und Jesuskritik untersagt.

Jesuskritik kommt besonders bei Tiefenpsychologen ganz schlecht an.

Daher sind sie auch keine (Ausnahmen). Wirkliche Tiefenpsychologie muss die religiöse Seite in den Vordergrund rücken, also die größte Menschenangst thematisieren.

Soweit also noch mal „Danke“, Wilfried, auch im Namen der Kranken.

Wenn Ideen kämen, wie man noch das Problem kirchenbedingter Erkrankungen  bekannt machen kann, wär es gut. Vorträge? Etwas mit Medien? Doch die blockieren mich, ebenso wie die allermeisten  Verlage.

 

Die Zeitung "Die Zeit" hat z. B. einen Redakteur, der in den Bibeljesus nahezu verliebt ist: Kilian Trotier. Er könne ohne Jesus „nicht sein“. „Und ist es nicht Jesus, der mir als Einziger allumfassenden Halt schenkt“, so fragt er in der Zeitung Die Zeit vom  5. Januar 2017. Und weiter: „So bin ich in Gedanken ständig im Kontakt mit einem Gegenüber.“ Andererseits gibt er zu: „Ja, ich bin abhängig.“  „Wenn Gott ihn auf die Erde geschickt hat, um die Menschheit zu retten, kann auch, um mich zu retten.“ Hier klingt die Maximalangst aller Gläubiger an, die verdrängte Angst vor der Hölle. Sie führt dazu, dass man Despoten wie den Jesus der Bibel liebt, lieben kann, selbst wenn diese geradezu faschistische Dinge äußern:  

(Mk. 9,43): "Wenn Dich Deine Hand zum Abfall verführt, so haue sie ab. Es ist besser für Dich, dass Du verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass Du zwei Hände hast und fährst in die Hölle."

(Mk. 16,16): "Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden."

(Mt.13, 41-42): Jesus über die geplante Feuerfolter: "Der Menschensohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alles, was zum Abfall verführt, und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein."

"Die Zeit" ist religiös eher sehr konservativ. Liegt es auch daran, dass man mit der Kirche verheiratet, ja finanziell verbunden ist? So liegt auch immer Chrismon bei. Ein an etlichen Stellen sehr  konservatives Kirchenheft.