Sind Psychiatriepatienten „vom Teufel besessen“?
von Frank Sacco
Vorwort Müller: Der Artikel ist leider nicht frei zugänglich, auf den Frank Sacco, Doktor der Medizin, sich bezieht. Er heißt Zwiegespräch: "Das Dämonische kommt durch alle Ritzen" (Zeit Online 2.4.10): Was ist entlastender, die Beichte oder die Psychotherapie? Lässt sich Schuld durch Reden sühnen? Ein Gespräch mit einer Therapeutin und einem Pfarrer .
Sind Psychiatriepatienten „vom Teufel besessen“? von Frank Sacco
Über die Angstkrankheit der etablierten Psychiatrie
Es stand in der Die Zeit am 31.3.2010, Seite 57. Die Chefanalytikerin Deutschlands und Nachfolgerin Sigmund Freuds am gleichnamigen Institut in Frankfurt, Prof. Leuzinger – Bohleber, gibt Unfassbares an: Von der Kirche als Institution verstehe sie „nichts‘‘. In der Psychiatrie fehle „das transzendentale Denken“. „Menschen mit einem theologischen Problem schicken wir deshalb zum Theologen.“ Der mitinterviewte Pfarrer Johannes zu Eltz sagt: „Besessenheit hat Konjunktur“. Sie komme „durch alle Ritzen“. Auf die Frage, „Besessen vom wem?“, antwortet zu Eltz standesgemäß: „Vom Teufel“.
Natürlich, zu Eltz glaubt als Pfarrer an den Teufel und die Hölle. Der ist gläubig und zusätzlich dogmaverpflichtet. Die von der Psychiatrie zur Kirche Geschickten würden teilweise dort „als austherapiert“ gelten. Sie seien wirklich „arme Teufel“. Gegen diese Fehldiagnose (vom Teufel besessen) des Geistlichen hat die Analytikerin überhaupt nichts einzuwenden. Sie schluckt diese Diagnose, auch weil sie sich ja für unfähig erklärt, in diesem Fall zu denken. Sie weist eine pathologische Denkhemmung im eigenen Fachgebiet auf und gibt zudem zu, dass das in ihren Kreisen so Usus ist. Doch dann kann man nicht diesen Beruf ausüben. Denn der setzt die Möglichkeit zu Denkprozessen auch dann voraus, wenn von einer Besessenheit vom Teufel, Versündigung gegen den Heiligen Geist oder von einer Hölle beim Patienten die Rede ist. Die Analytikerin sollte, wie auch ihre betroffenen Kollegen, umgehend ihre Approbation zurückgeben und nicht weiterhin Patienten durch unterlassene Hilfeleistung schwer schädigen. Wir Internisten dürfen uns ja auch keine Denkhemmungen leisten, z. B. auf dem Gebiet des Bluthochdruckes. Denken ist internistische Pflicht. Der Klerus schädigt die überwiesenen Patienten weiter. Man hat ja den Bock zum Gärtner gemacht. Kleriker sind dem strafenden Höllendogma, das Bischof Schneider als ein „Geschäft“ seiner Kirche bezeichnet, von höchster Stelle, vom Papst verpflichtet. Sie können demnach betroffene Patienten nicht von ihrem Trauma, dem Gedanken an jenseitige Strafen befreien. Angestellten Psychotherapeuten ist es teilweise nach dem Loyalitätsprinzip verboten, ihre Kirche dort, wo sie kriminell (gesetzeswidrig) agiert, entsprechend hart zu kritisieren.
Die Ursache der oben beschriebenen Hemmung in unserer Psychiatrie ist analytisch gesehen Angst, große Angst. Es ist die unbewusste Angst ihrer Mitglieder, selbst in einem Jenseits gefoltert zu werden. Diese Angst ist es, die das Symptom einer hysterischen Denkhemmung hervorruft. Die Denkhemmung bewirkt eine Angstreduktion bzw. sogar ein Nichtaufkommen von Angst im Oberflächen-Bewusstsein. Freud schreibt, niemand habe bisher „die Bedingung der Angstentwicklung bei der Hysterie ergründet“ (Sigmund Freud, Gesammelte Werke, 1926d, 140). Es wurde also Zeit für das Sacco-Syndrom. Gott- bzw. Gehinom-angst war auch die eigentliche Angst Sigmund Freuds.
Die etablierte Psychiatrie ist also angstkrank. Ich bemerke und bemängele das seit Jahren, auch vor der Bundesärztekammer. Ich biete meinen Kollegen Fortbildungen an. Doch man reagiert empfindlich, ablehnend, gereizt, unkollegial, unqualifiziert und aggressiv. Das spricht für eine zusätzliche narzisstische Störung im Sinn eines sekundären Narzissmus. Man hält sich für die Spezialisten auf dem Gebiet der Seele, und ist doch gerade dort unqualifiziert und nahezu ebenso krank wie sein Klientel. Die Suizidrate im Therapeuten-Milieu ist extrem hoch. Exakte Zahlen werden gar nicht veröffentlicht. Die Ursache der Suizide: Man ist in der Psychiatrie Übertragungen der wirklichen Ängste seiner Patienten hilflos ausgeliefert. Man weiß gar nicht, welche massiven Ängste man bei ihnen therapiert.
Man stochert, von Freud irregeleitet, seit einem Jahrhundert und natürlich vergeblich in Kastrationsängsten und den ihnen angeblich entsprechenden Penisneiden der Weiblichkeit herum. Doch immerhin: Freud war deutlich, dass Frauen keinen Penis besitzen – keinen eigenen. Es sei der Schock für jede Frau, sich kastriert und damit unterleibstechnisch verwundet und mangelhaft konstruiert zu fühlen. Uns Internisten fehlen da die Worte. Urologen fehlen die Worte schon lange. Denn Urologen wissen, was eine Kastration ist. Sie kennen den Unterschied von Kastration und Penisamputation – und den Unterschied von Angst und Neid, von zwei Begriffen also, die man nüchtern betrachtet, kaum rational verbinden kann.