Van Gogh

 

 

Vincent van Gogh startet als Sohn eines Pastors ins Dasein. Das ist immer schon ein halber Untergang. Da hört man als Kind viel von Hölle, auch wenn der Herr Papa gar nicht an sie glaubt. Unter dem Aspekt ist Zölibat gar nicht schlecht. Van Goghs Kontakt mit der Gewaltreligion Christentum ist also eng. Das Thema „Jüngstes Gericht“ ist Familienalltag. Zunächst will er auf Drängen des Vaters ebenfalls Geistlicher werden. Er sieht sich als Mönch oder Missionar und will in Armenvierteln arbeiten. Er wird ein Heiliger im Kampf gegen die Not. Er fühlte sich mit dieser Not und dem Elend unauflöslich verbunden. Er rettet eine schwangere Prostituierte aus dem Milieu und will ihr helfen „bis ins Unendliche“. Sie wird seine Frau. Ein dunkles Schuldgefühl überschattet sein Leben von Anbeginn. Den Kirchgang empfindet er als Zwang. Mit dem Vater gerät er in Streit, als er beschließt, Maler zu werden. Es kommt zu einem tiefen Bruch mit dem Christentum, als er sich mit den Ansichten aufgeklärter Zeitgenossen beschäftigt. Er habe dem Christentum „zu tief in die Karten geguckt“. Er schreibt: „Es wundert mich, dass ich gerade mit meinen modernen Ideen, ein so glühender Verehrer von Zola, de Goncourt und jedem tief empfundenen Künstlertum Anfälle habe, wie man sie bei einem abergläubischen Menschen vermuten würde, und dass mir verworrene, grässliche religiöse Wahnvorstellungen in den Kopf kommen...“. Das ganze System der Religion empfindet er als „abscheulich“.

 

In seiner Erkrankung spürt er in schlechten Phasen panische Angst und versucht verschiedene Male, sich zu vergiften. „Die Traurigkeit wird ewig bleiben“, meint er. Er fühlt sich „an die Erde gebunden mit mehr als irdischen Banden“. Das habe er in vielen tödlichen Ängsten gespürt. Er wäre ein guter Kandidat für meine EA-Therapie gewesen. Eigentlich umgebracht hat nicht er sich, sondern seine Kirche ihn.

In Unwissenheit über die Kraft des Unbewussten, über die Hartnäckigkeit kindlicher Engramme, läuft van Gogh in das Messer des Sacco-Syndroms. Der eingeredete strafende Gott, also eine bloße Idee, treibt ihn zu einer nahezu masochistischen Güte, zum eigentlichen Mönchtum. Später bestraft ihn diese Idee wegen einer nur intellektuell vollzogenen Abkehr vom kindlich implantierten Gottesbild. Van Gogh war ein so christlich-gütiger Mensch, dass er sich gegen den brutalen Christengott der Bibel und seiner Kindheit einfach auflehnen musste. Er war einfach zu christlich für das Christentum. Er war christlicher als sein Gott. Im Kampf gegen diesen „Gott“ ist er letztlich in einem Suizid unterlegen. Sein Intellekt war aufgeklärt, aber sein Unterbewusstes „abergläubisch“ im Rilke-Sinn.