Das Helfer-Syndrom – Rezension „Hilflose Helfer“ von W. Schmidtbauer

 

  

Vorwort Müller: Frank Sacco, Doktor der Medizin, hat wissenbloggt eine Rezension verehrt. Es geht um einen "erfolgreichen Klassiker" (Verlagstext): Die Hilflosigkeit von Helfern entspringt ihrem überstrengen altruistischen Ideal der sozialen Hilfe. Was rigide Ideale im Leben des einzelnen und im Zusammenleben von Gruppen und Völkern anrichten können, ist das Thema dieses erfolgreichen Klassikers, der nun überarbeitet und erweitert als Taschenbuchausgabe vorliegt. Frank Sacco liefert weitere Einblicke:

 

Das Helfer-Syndrom (Rezension des Buches „Hilflose Helfer“, W. Schmidtbauer rororo)

 

Hier sind alle angesprochen, die gern helfen. Und speziell jene, die statt  einem ausbeutenden einen helfenden Beruf ergreifen. Sigmund Freud und Wolfgang Schmidbauer (Buch „Hilflose Helfer“) widmen sich dem Thema ausführlich. Man hilft, weil man gern hilft. „Ich helfe gerne“ steht auf meinem T-Shirt. Und das ist bei vielen Helfern so.

Analytisch sieht es im Einzelfall allerdings komplizierter aus. Oft braucht da der Helfer das Helfen. Die Autoren gehen bisher von einer Kränkung des Selbstwertgefühles in der frühen Kindheit aus, einer sog. „narzisstischen Kränkung“ des Kindes, das beispielsweise den Satz „Du taugst nichts“ zu Ohren bekommt.  Diese Kränkung solle bewirken, dass man später in sadistischer Weise Macht wolle über die Personen, denen man eben darum helfe und deren ausführliche Danksagung man erwarte. Der Dank solle wiederum geeignet sein, das kaputte Selbstwertgefühl in Ordnung zu bringen. So finden wir die  Meinung,  „Helfenwollen sei sublimierter Sadismus“, im Buch Schmidbauers (S.233). Freud schreibt jedoch, er wisse „selbst nicht“, was ihn als Helfer in Entbehrungen statt in „Genussfähigkeit“ treibe (S. 235). Schmidbauer meint, Helfenwollen wurzele in der  Angst, Geltung und Selbstsicherheit einzubüßen. Das mag im Einzelfall stimmen.

 

Wenn wir aber heute in die sehr überwiegend lieben (und oft erschöpften)  Augen unserer Gemeindeschwestern schauen, dann müssen wir umdenken und zu einer neuen Ursache eines helfen Müssens gelangen. Es gibt in einer nach wie vor sehr religiösen Gesellschaft neben den beschriebenen Ängsten noch eine andere Angst. So lassen die Bibelschreiber uns ihren Jesus im Sahnestück unseres Glaubens, der  Bergpredigt, bedeuten, sanftmütige Helfer kämen nicht in die Hölle. Böse Menschen hingegen, die z.B. nicht nett zu ihren Brüdern sind, seien „des höllischen Feuers schuldig“. Hier lachen wir natürlich alle über die Spinnereien dieses Jesuskonstruktes unserer Geistlichen, die mit dieser Angst, der Angst jedes Kindes vor Feuer, seit Jahrhunderten ein einträgliches „Geschäft“ betreiben, wie es uns Bischof N. Schneider im Jahr 2014 in öffentlicher Beichte kundtut (Der Spiegel 43/14).  

Doch können unsere Kinder, die mit der Bergpredigt in Kirchenmauern missbraucht werden, an dieser Stelle auch lachen? Nein. Diese Gesellschaft lässt ihre Kinder mit einer fundamentalistischen Religion alleine. Die Ursache? Es ist eigene, aber verdrängte  Gottangst eines nur im Oberflächenbewusstsein aufgeklärten  Kollektivs, die eine derartige Androhung ewiger Folter toleriert. Man wird halt seinen Kinderglauben nicht los, weiß Papst Benedikt. Daher muss man sich die Kinder früh holen, um sie später als Erwachsene unter eiserner Kontrolle zu haben. Der Kirchenmann Georg Scharf formuliert uns das: Gerade Kindern müsse man darlegen, dass Sünder in der ewigen Hölle "furchtbar leiden werden", denn die Psyche des Kindes sei "mehr auf den Glauben als auf das Durchschauen angelegt". Kinder seien ja geradezu darauf angewiesen, in "allen Lebensbereichen" den "Erwachsenen zu glauben" (Quelle: Georg Scharf: "Frohbotschaft oder Drohbotschaft?", Theodor Schmitz Verlag). Das müsse man „ausnutzen“, so Scharfe. Nun, man nutzt es aus: Erzbischof Becker, Paderborn, zitiert über ihre Mütter schon 2-jährige in seinen Hauptgottesdienst. Ich habe ihn wegen Kindesmisshandlung angezeigt.

 

Uns wird deutlich: Je größer die (verdrängte) transzendentale Angst des Helfers, umso größer sind sein Bedürfnis und sein innerer Zwang, in aufreibendem Perfektionismus zu helfen. Migräne und Rückenleiden stellen sich  ein – und nicht nur das. Ein Nichthelfen oder ein Versagen beim Helfen wäre Sünde. Und wie man Sünde bestraft, erklärt uns der Kirchenautor Hans-Werner Deppe: „Schlimmer“ als unter Hitler sei es in der Hölle Jesu. Man werde dort „froh sein, um jedes nicht brennende Körperteil“. Ich veröffentliche hier also einen neuen Gesichtspunkt, ein neues (verdrängtes) Motiv  dafür, einen helfenden Beruf zu ergreifen. Aber wir haben nun auch eine neue Therapiechance, einer großen Zahl von  Helfern in einer EAT den Weg aus dem Gefängnis eines Helfenmüssens in die Freiheit des wirklichen Helfenwollens aufzuzeigen.