Manische Depression 

 

 

 Vorwort Müler: SPIEGEL ONLINE berichtet am 30.3. über den Germanwings-Co-Pilot Lubitz: Tödliche Last. Darin wird der Pilot als manisch-depressiv charakterisiert. Unser Autor Frank Sacco wagt eine Analyse, in der er die Störung auf religiöse Ursachen zurückführt, mit dem allgemeinen Argument, eine schwere Depression sei oft ekklesiogen, denn was irritiere Kinder mehr als der christliche Glaube (Bild: skeeze, pixabay)?

 

Laut Spiegel wird inzwischen die Einführung regelmäßiger psychiatrischer Untersuchungen für Verkehrspiloten diskutiert. Ihr Nutzen sei indes umstritten, denn "Solche Untersuchungen können leicht unterlaufen werden. Kein Pilot kommuniziert ehrlich mit einem Flugmediziner, weil immer die Gefahr im Raum steht, für fluguntauglich erklärt zu werden."

 

Wenn sich der Pilot (wie in dem Fall) in Behandlung begibt, muss der Arzt über seine Probleme schweigen und sie dem Arbeitgeber verheimlichen. Ohne die Schweigepflicht unterbliebe die Konsultation vielleicht, aber man kann das trotzdem als Argument gegen den Datenschutz sehen. Denn es gibt immer Daten, die als Risikoindikatoren verwendet werden können, sofern es nur statthaft wäre. Das wäre ein guter Ansatzpunkt, um das überkommene Prinzip der Daten-Heimlichtuerei durch eine zukunftsträchtige Datenhygiene zu ersetzen (siehe Datenhygiene statt Datenschutz, die gegenteilige Meinung vertritt die Süddeutsche Zeitung in Konsequenzen aus dem Flugzeugunglück – Die Schweigepflicht muss streng bleiben, 31.3.).

 

 

 

Die ekklesiogene (kirchenbedingte) Manie 

 

Was die Airlines zurzeit  am meisten beunruhigt, ist diese Erkrankung – wenn sie einen Piloten befällt. Sie tritt im Rahmen einer Depression auf und ist der innerpsychische Versuch des Patienten, die negative Verstimmung  nicht wirksam werden zu lassen. Sie kann vor oder nach einer Depression auftreten, in langräumigem Wechsel mit ihr oder beinahe zeitgleich in einem sog. „Mischzustand“. Oft dauert sie Monate.

Eine schwere Depression ist oft ekklesiogen, denn was irritiert Kinder mehr als der christliche Glaube? Dessen Dogma: An einem sog. Jüngsten Tag werde von Jesus eingeteilt: Himmel oder Hölle. Und dort wird nach geltendem Dogma mit Feuer gefoltert. Das schreiben uns  Bischof Nikolaus Schneider (EKD) und  das Erzbistum Paderborn mit seinem Partner, dem Betanien Verlag. Im Buch „Wie wird es in der Hölle sein?“ beschreibt Autor Deppe unseren Kindern die Gnade Jesu: „Welche Gnade ist für Sünder jedes nicht brennende Körperteil“.  Unter Hitler, so Deppe, sei es teils weniger schlimm gewesen als es in der Hölle Jesu sein werde (Seite 53).

Das Dogma ewige Hölle führt nach einer neurotischen Latenzphase (nach S. Freud) den jungen Erwachsenen in die schwerste  Depression, die wir kennen, die ekklesiogene. Nirgendwo sonst ist sie so stark, nirgendwo ist die reaktive Manie so stark ausgeprägt. In der depressiven Phase lenkt man zumeist kein Flugzeug in ein Alpental. Die aufkommenden Schuldgefühle sind für eine derartige Tat einfach zu stark. In der überschwappenden Manie jedoch besteht nach einem oft wochenlangen heiteren Zustand ein religiöses Hochgefühl. Man meint, Gottes Willen zu kennen, man „weiß“ sich nach dem Tod im Gegenteil der so angstbesetzten Hölle, im Himmel. Der Tod, in den man auch andere Menschen mit hineinreißt, wird zu einer Nebensächlichkeit. Einen Eindruck über ekklesiogene Erkrankung vermittelt Der Spiegel 21/164, eine ausführliche Beschreibung erfolgt im Buch „Das Sacco-Syndrom“.

 

In der Wohnung des Piloten Andreas L. fand man Psychopharmaka, wie sie gegen Erregungszustände und  auch gegen eine Manie eingesetzt werden: Schlafmittel und Neuroleptika. Im Hochgefühl des völligen Gesundseins zerreißt ein manisch Erkrankter auch seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Er traut sich alles zu. Besonders das Fliegen, seinen Beruf. Plötzliche „Assoziationen“ können bewirken, dass in Sekundenschnelle Entscheidungen getroffen werden, die  der Umwelt später nicht begreiflich sind. So unfassbar und grausam wie die schulisch und kirchlich erlernte Religion kann auch eine Handlung in dieser Wahnerkrankung sein. Der Wahn der Religion (der Wahn Himmel) wird zum Wahn im Cockpit. Immer wenn religiöser Wahn in eine ekklesiogene Manie führt, ist der Erkrankte ab diesem Zeitpunkt schuldunfähig. Der „Zug ist abgefahren“. Schuld an den dann stattfindenden Katastrophen haben die Amtskirchen, weil sie an dem Gebäude Folterhölle in finanziellem Eigennutz festhalten. Auch die Delinquenzentstehung hat ihre Wurzeln oft im Höllenglauben. Die religiöse Hoffnungslosigkeit führt in die Anomie (nach E. Durkheim).

 

Therapeutisch ist eine EAT, eine ekklesio-adversative Therapie sinnvoll. Hier wird dem Erkrankten das Trauma Hölle  wieder in das  Bewusstsein gerufen. Es ist, da nicht auszuhalten,  tief verdrängt. Der Wahn wird ad absurdum geführt. Sollte Gott, der die Liebe ist, wirklich grausamer sein als Adolf Hitler? Die Bibel wird als orientalisches Märchenbuch identifiziert, als das Friedrich der Große es schon betitelte. Der Höllenglaube ist entweder eine Projektion, also analytisch zu begreifen, oder Politik – und damit ein wirtschaftlich Zweck. Die Kirchen sind die bisher erfolgreichste Geschäftsidee.

 

 

2 Antworten auf Manische Depression 

1. Saco sagt:

1. April 2015 um 18:51

Nach heutiger Meldung war Andreas L. zuletzt für 2 Wochen krankgeschrieben, "wohl wegen einer bipolaren Störung, er war also offenbar manisch-depressiv." Damit dürfte er bezüglich des finalen Absturzes schuldunfähig sein, nicht aber für die Verheimlichung der Erkrankung.

web.de/magazine/panorama/germanwings-absturz-a320/lufthansa-lies-lu… 01.04.2015

2. Klarsicht sagt:

2. April 2015 um 14:38

Ein paar (un)erlaubte Überlegungen ?

 

„Die Angehörigen wollen eine Erklärung für das Unerklärliche; der Rest der Welt auch. Was treibt jemanden dazu, nicht nur sich selbst umzubringen, sondern auch das Leben von 149 anderen Menschen auszulöschen ? Welche Gedanken und Gefühle leiten einen solchen Menschen, was passiert in seinem Gehirn, wie lautet die Diagnose ?

Es ist nur zu verständlich, dass die schockierten Hinterbliebenen und all jene, die noch immer fassungslos angesichts der Tragödie sind, verstehen wollen. Welches Leiden, welcher Antrieb steckt hinter dem gezielt herbeigeführtenFlugzeugabsturz ?“

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/konsequenzen-aus-dem-flugzeugunglueck-die-schweigepflicht-muss-streng-bleiben-1.2416343

 

„Partner für Gespräche über Suizidabsichten sind äußerst selten. Wer würde es denn wagen, jemanden aus seiner Familie, den Pfarrer, einen Lehrer, gar einen Arzt ins Vertrauen zu ziehen, wenn er an Suizid denkt ? Er würde nicht nur sein Gesicht, sondern auch seine persönliche Freiheit riskieren: Nach einem Gespräch mit einer solchen Person erscheint das Risiko viel zu groß, in die Psychiatrie zwangseingewiesen zu werden. Somit ist jemand, der an Suizid denkt, meist ganz mit sich und seinen trüben Gedanken allein. Sein Denken und sein Empfinden verengen sich immer mehr .“

Quelle: http://hpd.de/sites/hpd.de/files/field/file/wie_wollen_wir_sterben_-_l._minelli.pdf

 

Als ich das las, kam mir der Gedanke, dass Andreas L. sich evtl. in der Situation sah, wie sie in dem obigen Text von Herrn Minelli beschrieben wird. Er wollte evtl. – aus welchen Gründen auch immer – sein Leben möglichst schmerzfrei beenden, wozu ihm unsere Gesellschaft aus seiner (kranken ?) Sicht aber keine legale und für ihn akzeptable Möglichkeit bot (siehe „Sterbehilfedebatte“). Aufgrund dessen fühlte er sich möglicherweise derart hilflos und von unserer Gesellschaft allein gelassen, dass sich in ihm wegen seiner Situation nach und nach eine Wut oder gar ein Hass auf unsere Gesellschaft entwickelte, die/der (aus dem Unterbewusstsein heraus ?) immer mehr in seinem Bewusstsein wirksam wurde. Dieser schleichende „psychologische Prozess“ kulminierte evtl. in der Absicht, sich nunmehr in naher Zukunft wegen seines Leidens- und Realitätsdruckes wirklich umzubringen und dabei gleichzeitig die für seine Situation „schuldige Gesellschaft“ mit einem „Paukenschlag“, der ihm wohl schon konkret vorschwebte „zu bestrafen“.

Wut und Hass, die in Andreas L. evtl. wirksam waren, könnte ich durchaus nachvollziehen, seine Tat natürlich nicht. Aber ich bin, wie ich glaube, ja auch nicht psychisch krank, wie er es gewesen sein soll.

Auch Udo Reiter, seit vielen Jahren am Rollstuhl gebunden gewesen, hat kurz nach einer Sterbehilfediskussion im TV, an der er teilgenommen hatte, mit einem „Paukenschlag für die Gesellschaft“ sein Leben selbst beendet. Er hat sich erschossen (1). 

Klarsicht