Zum Welt-Orgasmus-Tag                 von Frank Sacco

 

  

Vorwort Müller: Dieser Artikel von Frank Sacco bezieht sich auf den Artikel Welcher Tag ist heute? Die Bildbearbeitung von Brigitte Bardot stammt von SpiritBunny, pixabay. Weitere Artikel von Frank Sacco bei wissenbloggt.

 

Zum Welt-Orgasmus-Tag

 

Ängste und Unsicherheiten in Sachen Sex spielen auch in heterosexuellen Gemeinschaften eine herausragende Rolle. Alle haben in einer weitgehend gläubigen Gesellschaftsform Ängste in sich. Und gleich zum Trost für meine männlichen Leser: Das, was sich in Sachen Sexualität in einer lesbischen Beziehung ereignet, bekommen wir auch nach langem Aktenstudium mit unseren langjährigen Kameradinnen, den Ehepartnerinnen, nicht alles hin. Ein Grund dafür ist schlicht der, dass wir Kameradinnen im Bett haben, mit denen wir gerade den letzten Steuerbescheid durchgegangen sind,  und keine frischen Geliebten. Ein zweiter Grund:  In uns allen ist der Virus einer  verbotenen und sündhaften Sexualität leider verborgen. Leider. In der Regel können wir uns in einer länger dauernden Gemeinschaft  dem Sex nicht völlig unbefangen zuwenden. 90 % der Eheleute sind im Ehebett einfach und schlicht stumm. Man sagt dem anderen nicht, was einem gefällt.  Scham und  Scheu sind hier einfach zu groß. Wir sind Verklemmte in Sachen Sexualität, ohne dass wir daran schuldig sind. Eine lebenslang verordnete Einehe ist ursprünglich durch gesellschaftlichen Druck entstanden, und die gefängnishaft anmutende lebenslängliche Einehensexualität durch Druck der Geistlichkeit. Scham ist Ausdruck einer empfundenen Schuld mit Angst vor transzendentaler Bestrafung dieser "Schuld". Eine jetzt entwickelte Pille gegen Angst (s.u.) muss die  vorher eingeschlafene Lust fördern.   

 

Erfunden haben diese "Schuld " Geistliche und sie haben sie als "Sünde", ebenso wie ihre Bestrafung,  transzendental ins Unermessliche erhöht.  Erst die schwarzen Männer, und nicht ein Gott,  hängten den Evas das Feigenblatt an, wie es heute noch die Missionare tun. Freier Sex und freie Nacktheit sind Ausdruck einer Freiheit, die man kirchlicherseits nicht möchte und daher zu einer  Sünde hochstilisiert, die nicht normal als Schuld, sondern nur transzendental "am Tage des Jüngsten Gerichtes" vergeben werden kann. Amen.     Eine sexkranke Religion macht  ihre Gläubigen sexkrank.   Wer geht schon heute  busenfrei über den Hamburger Jungfernstieg? Das wäre doch ein kleiner Anfang. Verboten kann es nicht sein, da ja in jeder Zeitung Busenfreiheit abgelichtet wird und unsere Kinder gemeinsam nachmittags im Internet Pornos konsumieren – auch auf öffentlichen Plätzen.  Nur im Kämmerlein oder vor einem Fotografen zieht Mann oder Frau sich völlig aus – oder in einer Mut machenden Gruppe: 770 nackte belgische Popos  im Theater sieht man in Geo kompakt Nr. 20 und 18  niederländische Frauen, wie die Natur sie schuf. Ein Anfang also, der Mut macht in einer Zeit, wo das Amtsgericht Erfurt  im Jahr 2012 einem 14-jährigen "eine Straftat erheblicher Bedeutung" vorwirft und ihn per DNA Probe in die Sexualstraftäterkartei aufnehmen will, da zu befürchten stehe, dass er erneut ein "derartiges Verbrechen" begehe. Was war passiert? Er hatte in Einvernehmen eine 13-Jährige geküsst und fasste ihr "über der Kleidung in den Genitalbereich"! "Ein Knutschfleck zuviel", stand in der Zeitung.     Die "Realität", die uns im TV als Realität vorgezeigt wird, ist übrigens keine. 

 

Die Welt ist für uns nicht  so sexuell freizügig (oder immer so grausam), wie sie in der Tagesschau und gleich danach dahingestellt wird. Jeder gezeigte Orgasmus in Kino und TV, ob nun bei Mann oder Frau, ist natürlich ein gespielter und bezahlter Kraftakt in völlig unromantischer Scheinwerferhitze. Da steht nichts,  da trieft nur alles. Erst nach gut einer Stunde stöhnen beide Akteure so, wie es der Regisseur so penetrant verlangt.  Religiöse und andere gesellschaftliche Tabus unterschiedlicher Art verhindern aber den häuslichen Orgasmus der Frau öfter, als sie ihn ermöglichen. Glauben Sie, lieber Leser, ihrem Fernseher also nicht. Sie sind ganz normal in Sachen Sex, insofern, dass sie es wie die meisten Menschen machen. Schauen Sie den Film "Wie beim ersten Mal". Kay (Meryl Streep) und Arnold Soames (Tommy Lee Jones) sind seit 30 Jahren verheiratet. Wie viele andere Paare haben die beiden so ihre kleinen und großen Schwierigkeiten im Bett.   Alice Schwarzer schreibt 1975: "Zwei von drei Frauen haben selten oder nie einen Orgasmus".Daran hat sich nichts geändert, denn die Zeiten waren damals, zu Zeiten einer „sexuellen Revolution“, eher freizügiger. Die Freigabe der Pädophilie wurde von grünen Politikern gefordert und Oswald Kolles Filme von 1960 würde man heute fast als Pornographie einstufen. 

 

Die neuen „Studien“ über Sex sind keine, denn wer garantiert, dass die Auswahl der dort Interviewten wirklich zufällig und deren Aussagen wirklich ehrlich sind? In Emma Juli/August 2013 wird Lisa, Katherina und Daniela die „Gretchenfrage“ nach der Häufigkeit von Sex gestellt: "Wir bitten um eine ehrliche Antwort“, heißt es da. Schwer ist es, in Sachen eigenem Sex wirklich ehrlich zu sein. Also ich habe täglich mehrfach Sex, und das schon über Jahrzehnte.   Nach dem aufsehenerregenden Hite-Report (1977) liegen bei 70 % aller Frauen Orgasmusstörungen beim Koitus vor, jedoch nur bei 4 % bei Selbstbefriedigung. Nach Rosen et al. gaben 1993 58 % der Frauen eine solche Störung beim Koitus und 27 % Schmerzen beim Verkehr an. Buddeberg et al erfassten 1994 in Zürich bei Frauen 41,3 % mangelndes Verlangen, 7,6% sexuelle Aversion, 9,8 % Vaginismus, 11,9% Dyspareunie, 18,5 % Orgasmusstörungen und 10,9% andere Diagnosen. Bei Männern: Libidomangel 9,7 %. Erektionsstörungen 41,7%. Vorzeitiger Samenerguss 30,6%. Andere Diagnosen 12,5%. Wer ist hier noch frei von sexuellen Störungen? Das Frankfurter Sigusch – Institut für Sexualstörungen wurde geschlossen, weil man gegen diese Flut von Erkrankungen ja doch nicht ankommt. Eine andere Deutung für die Schließung haben wir von der Gruppe 49 nicht. Ein Beispiel: 10 % Vaginismus, also ein Scheidenkrampf, ist schon eine bedeutende Anzahl. Er macht ein Eindringen des Penis in eine "gläubige"  Vagina und damit eine Sünde ebenso wenig  möglich, wie ein abgeschnittener Penis noch für einen regelwidrigen Verkehr taugt. Kein Sex, keine Hölle für Sex. Das Buch "Sexuelle Störungen und ihre Behandlung", Hrsg. Volkmar Sigusch, kommt beim Querlesen ganz ohne die Worte Religion, Gott oder gar Hölle aus. Vaginismus in einer Ehetherapie wird dagegen in einem Beispiel skurril erklärt: "Die Patientin hat die unbewusste Phantasie, den eindringenden Penis zu zerstören, und schützt ihren Partner mit dem Vaginismus vor dem Zerstört werden und sich selbst vor dem Gewahr werden ihres aggressiven Potentials. 

 

Der Patient teilt diese Phantasie unbewusst, misstraut gewissermaßen zu Recht ihrer Friedfertigkeit, flüchtet vor einer sexuellen Beziehung zu ihr und versucht, seines Gefühls der Bedrohung durch die Entwertung ihrer Person Herr zu werden." Bei so viel sowohl triefender als auch wahrscheinlich schlicht falscher Tiefenpsychologie ist es nicht verwunderlich, wenn die Therapie Jahre dauert, zumal eine mögliche wirkliche Angst, die vor Versündigung, nicht einmal im Programm steht. Fortbildungen speziell  über ekklesiogene Störungen können über 95 % der Analytiker nicht vorweisen. Die Patientin befürchtet wahrscheinlich ein eigenes Zerstört werden, bzw. ein "Verlorengehen in Ewigkeit, Amen". Hat die Autorin Dr. Sonja Düring Uta Ranke-Heinemanns Buch "Eunuchen für das Himmelreich" nicht gelesen? Wie kann man es lesen, ohne die eklatante Bedeutung von Höllenangst zu erfassen?  Geschlechtsverkehr, soviel wissen wir jetzt aber, macht in längerer Zweisamkeit anscheinend ebenso viel wirklichen Spaß wie Schienenverkehr, wenn die Bahn nicht kommt. Aber die Bahn arbeitet wenigstens dran. Carla Bruni weiß: "Man kann das beste Paar der Welt sein, aber irgendwann ist man eben nicht mehr neu und aufregend für den Partner. Da wird Kochen wichtig. Bruni: "Für gute Spaghetti braucht man einen sehr großen Topf. Kein Öl, nur Salz, eine Minute weniger kochen, als auf dem Päckchen steht, und  das Wasser nicht ganz abgießen. dann schmecken alle Soßen."  "Wie wichtig ist Treue?" Das Kapitel bearbeitet die Zeitschrift NEON, November 2013. Ragnar Beer, er hat die Plattform Theratalk, weiß: "Die sexuelle Zufriedenheitskurve ist die traurigste Kurve, die ich in meiner Forscherkarriere gesehen habe." Offene sexuelle Beziehungen, die dies ändern könnten, gibt es, so eine Theratalk-Studie,  nur zu einem Prozent – und auch die gehen schief. So etwas ist für eine "Ehe" unbekömmlicher als russisch Roulette.   

 

Gott sei Dank gibt es an dieser Stelle aber auch Humor. Zsa Zsas Gabor hat ihn: "Ich weiß leider nichts über Sex, weil ich immer verheiratet war." Erika Jong weiß: "Sex ist etwas, das man mit jemand anderem als dem Ehemann hat." Seien Sie also nicht  traurig und enttäuscht, wenn es beim hundertsten nicht so ist, wie beim ersten Mal.  Sie sind normal. Sie sind nur immer im gleichen Film. Kathrin Spoerr bringt es in der "DIE WELT" vom 15.10.2013 so: Frauen haben Sex …mit dem eigenen Ehemann, und darum selten, … mit dem eigenen Mann, aus Höflichkeit, … mit einem fremden Mann und darum wilden, …mit einem geträumten Mann, fantastischen. "Ich schlafe eigentlich gern mit Max", meine Magdalena, "aber nach 17 Jahren Wiederholung kann keine Frau der Welt den gleichen Film spannend finden." Seien wir also froh, Männer und Frauen, wenn das Kunststück Sex  uns einigermaßen gelingt. Wir erkennen aber: "You cant always get what you want." Der Instinkt der Großtiere, er ist uns verloren gegangen. Ein Bulle merkt, wenn es Beiden Spaß machen wird: So ein- oder zweimal im Jahr. Vielleicht oder sicher ist beim Menschen weniger mehr. Die Sexpause in der Ehe wird nur psychisch nicht toleriert. Biologisch ist sie gerechtfertigt.  Wer in jahrzehntelangem Einehen-Sex nicht gestört ist, das lernen wir hier, der ist nicht normal. Und doch wird unter der "Störung" gelitten, weil man sie nicht für normal hält.  Es resultieren  die bekannten Eheschwierigkeiten. Man ist frustriert. Ehefrauen wollen schon Sex, wenn er dann aber stattfand, sind sie enttäuscht.  Sie fangen das berühmte Nörgeln und das teure  Shopping an, ihre Ehemänner das Schweigen und den inneren Rückzug. Die klagen, sie hätten so etwas wie eine lebende Leiche im Bett – und das macht natürlich keinen richtigen Spaß. Schafft man sich jedoch eine Geliebte oder einen Geliebten an, so ist der neue (Zweit-) Partner tief beeindruckt von der Libido und der sexuellen Kraft, die sich da plötzlich vor seinen / ihren  Augen auftut. 

 

"Lustlosigkeit war gestern"ist die Überschrift eines Interviews mit der Sexologin Ann-Marlene Henning. Nein, sie ist heute. Täglich kommen in ihre Praxis Paare, die 10 Jahre keinen Sex hatten. Die lernen Sex neu bei Frau Henning. Das ist ein hartes Brot. Schuld daran sind wir alle nicht. 1865 Personen in Langzeitbeziehungen befragte Dr. Dietrich Klusmann, Hamburg. Nach 3 Jahren lässt das Sex-Interesse  bei 74 % der Frauen "rapide" nach. Frigide habe man früher gesagt, heute gibt es die FSD(weibliche sexuelle Dysfunktion), die FSAD (weibliche Erregungsstörung) und die HSDD (verminderter sexueller Antrieb). Praxisthema Nr. 1 ist bei der Gynäkologin Dr. Anne Schwenkhagen, Hamburg, der Libidoverlust der Frauen, der schwere Schuldgefühle auf den Plan ruft. Gibt man eine Pille gegen Angst, z.B. "Lybridos", geht es im Bett leichter vonstatten. Überleben wir das Säuglingsalter, bekommen wir also alle einmal Probleme mit Sex. Entspannen wir uns also.   Sowieso wird der Orgasmus hoffnungslos überbewertet. Diese Überbewertung ist gesellschaftlich begründet und macht bei seinem Ausbleiben die Gesellschaft depressiv. Die Berliner Charite untersuchte es an 575 Frauen: 90 % spielten einen Orgasmus nur vor. Nach Beginn einer Penetration fällt die klitorale Reizung meist weg und die Erregungskurve sinkt bei Ihr unter Betriebstemperatur. Sex ganz ohne Penetration ist daher einen Versuch wert – oder zwei. Das kann schöner sein, als ein Hinterherlaufen am vermeintlich Allerschönsten. 

 

Das Vernaschen eines Erdbeereises macht ja auch glücklich, selbst wenn sich am Ende, beim Knabbern an der Waffel, die Vagina nicht rhythmisch zusammenzieht. Zur Empfängnis ist der Orgasmus auch nicht nötig. So gibt es oft Vierlinge bei künstlicher Befruchtung. Eine Spermazelle ist, zumindest unter dem Mikroskop, unglaublich fix und zielbewusst. Sie weiß, was los ist. Kaufen Sie sich ein Mikroskop.  Am besten ist nach intensiver Lektüre der Fachliteratur wohl noch das Selbermachen: Der Oralsex Simulator Squeel 2 (über orion.de, 70 €) macht mir (als Mann) auf den ersten Blick zwar etwas Angst, ist aber anscheinend für Frauen völlig ungefährlich. Auch bei Dauergebrauch wird man nicht von ihm schwanger und selbst Lukas, Matthäus, Markus und Johannes haben in der Bibel  bisher nichts gegen das Werkzeug vorgebracht. Bei bestimmten Bauchübungen haben über 50 % (!) der Frauen einen Orgasmus, beim Yoga 20 %. Das erschrickt uns Männer. Sie braucht uns gar nicht – wenigstens nicht nachts. Frauen wissen das. Es braucht das Genießen und das Fallenlassen – und das ist Kopf- und nicht Männersache. Eigentlich und sowieso  ist der Orgasmus reine Männerangelegenheit. Ohne ihn, unseren Männerorgasmus, gäbe es uns nicht, uns  Männer. Bei Frauen hat er keine entscheidende Funktion. Im Gegenteil. Ein regelhaftes Ausbleiben macht ihnen, und vor allem uns, Kopfzerbrechen. Unnötiges Kopfzerbrechen.  Männer kaufen sich bei häuslicher FSAD öfters ihren Sex draußen, "außer Haus", und Alice Schwarzer schimpft nach dem Motto: Alle Schuld den Männern.

 

Ich schrieb Emma ein Gedicht über ihren Artikel "Männer im Puff" (Fotosession in Emma Juli/Aug. 2013). Kaum ein Verkehr dort findet in  Freiwilligkeit statt. Rumäninnen schaffen für kranke Familienangehörige an. Ludmillas Kind hat Krebs und macht darum die Beine breit. Würden doch Einige machen, wenn es die einzige Möglichkeit wäre. Eine Krebs-OP ist teuer. Ich verweise auf meine Arbeit Psychoanalyse der Prostitution. Ein Abdruck findet sich auf dieser Homepage. Im Alltag des Wohnwagens gehört ein Schuss unerforschten Masochismusses zu dem Beruf, oder? Viele leichte Mädchen haben viele schwere Probleme. Nicht jedes lernt als Pretty  Woman einen Millionär kennen. Zuviel Gewalt steckt heutzutage in der Sache  des gekauften Sexes. Zu allem Überfluss macht er auch noch süchtig. Ich rate von der Sache ab.