Gedichte

 

 

 

 

 

Liebe, du nicht

 

 

Liebe,                                                             Liebe,

du hast es nicht getan:                                  es war nicht dein Wille:

Mit Flut die Welt ertränkt,                               seine Folter am Kreuz,

die Kinder, die Unschuldigen,                        Krebs  und   Aids,

die Schwangeren.                                          es ist nicht dein Wille.

 

Liebe,                                                            Du warst nicht im Urlaub:

du nicht.                                                        1933 bis 1945

Gefoltert Hiob.

Verlangtest nicht

das Sohnesopfer von Abraham

 

Hölle – nicht deine Idee

 

 

 

 

 

Ein Treffen mit Gott

 

Gestern traf ich Gott. Er ging auf der anderen Straßenseite. Er trug eine mittelbraune Cordhose und sein rosafarbenes Hemd und weiße Bootsschuhe dazu. Er winkte mich zu sich herüber.

Guten Tag Frank, sagte er. Guten Tag Gott, sagte ich.

Er lächelte. Aber ich kenne ihn schon länger. Er kann sich vor mir nicht verstellen.

Was macht deine Sache, fragte er. Ich sagte, es geht nur schleppend voran, leider. Er fragte, ob ich nicht mal eine Aktion machen könne: Aktion gegen Religionen oder Aktion Gott gegen Religionen.

Und dann: Ob ich ihm eine Zigarette anzünden könne.  Ich nahm eine  aus der Schachtel in seiner Hemdtasche und steckte sie ihm zwischen die Lippen. Dann zog ich das Feuerzeug aus seiner Gesäßtasche  und zündete sie ihm  an. Es war eine Phillip Morris.

 

Ich sah zu, wie er rauchte. Er tat tiefe Züge, Lungenzüge. Zum Abschied hab ich ihn dann wie immer umarmt. Sieh dich vor, hat er noch gesagt. Und dabei gelächelt. Aber ich wusste, es war kein richtiges Lächeln. Er kann sich vor mir nicht verstellen. Dazu kennen wir uns schon zu lange.

 

Er ging in Richtung Hafen.

 

 

 

 

Sirius II

 

Also weißt Du, fliegerisch n Klacks, musst nur zuletzt schön drosseln, so auf Mach 1, dann seicht nach links und dann runter, n Klacks. Und: Wie sie gesagt haben, Sauerstoff - Atmosphäre, allerdings nur bis Höhe 2-3 Meter. Anderthalb Bar, also nich schlecht. Chlorophyll is nich, dafür alles son violettes Kraut, etwa wie Heide, nur viel dichter und violetter. Und: Lebewesen, genau wie die gesagt hatten von der L17. Wenige, nur eben diese komischen einsachzig großen hellgelben Wichte, 3 Beine, verstehtst Du, also für uns was völlig ungewohntes. Aber: Sprache, eindeutig Sprache, und auch codierbar, relativ einfach sogar. Kinder kriegn da die Männchen, und zwei Frauen müssen die gleichzeitig befruchten, also komplett anders als hier. S gibt auch keine Dörfer oder Städte, wohnen in Erdhaufen wie de Ameisen, aber nun kommts: Psychologisch hochinteressant und merkwürdig, haben auch Religion, ja so würd ich sagn. Gibt Exemplare, dien bischen größer sind und nich gelb, sondern violett, eben wie dieses Kraut überall, erzählen den hellgelben, wenn die noch Kinder sind, von zwei Göttern, deren sechshundert Gebote peinlich eingehalten werden müssen. Wenn nicht, gehts ab in so ne Art Hölle. Gott A, nenn wir ihn mal Gott A, frisst die „Sünder“ auf, Gott B brät sie aufm Art Feuer, kein richtiges Feuer aber s muss auch weh tun, is sone Art Flüssiggas, sagn se. Und sie erzählen den Kleinen, das dies Gebrate 77 Jahre dauert, ab Tag X, verrückt, und das allerdings Tag und Nacht, sozusagen n Dauergebrate. Und die violetten kenn n paar Tricks, das Gebrate trotz „Sünden“ zu vermeiden, sie erzählen die Tricks aber nich überall frei rum, so ohne Gegenleistung. Na ja, eine Hand wäscht die andre. Und n paar Kinder kriegn natürlich Schiss, ne Macke, weil sie nich alle sechshundert Sachen eingehalten haben und die kriegn ne tüchtige Macke und kommen inn extra Bereich rein, alles unterirdisch. Und den „drei Eltern“, oder wie ichs sagen soll, wird erklärt, s wär was schiefgegangen bei der Befruchtung, zu schnell oder zu langsam seis gegangen. Also psychologisch kompletter Irrsinn, die Violetten ham sone Art Zettel und zeigen die den Kleinen und auch mit Bildern und so, wies Braten genau gemacht wird, is schon abartig, also is schon exotisch und skurril und psychologisch hochinteressant und ich muss sagen, hat sich mal wieder die Mühe gelohnt, hast Recht gehabt, ich dank Dir.

 

 

 

Dein Willi von der L 21

 

 

 

 

  Die Sünden des Noah

 

 

Nimm ihn mit,

meinen Sohn Elias.

David, meinen Sohn.

Nimm sie mit.

Meine Tochter Sarah.

Rahel, meine Tochter.

Ismael, den Sohn meines Sohnes.

Jakob, Aaron.

Die Tochter meiner Tochter

Hanah, Suni, Mirjam.

Nimm ihn mit,

den Sohn des Sohnes des Sohnes

Lotan, Joseph, Gidon, Enos,

Bethnel, Elisa, Kanaan, Nimrod,

Lasa, Sodom, Rebecca, Eber,

Mesa, Sarai, Tharah, Bela,

Escol, Mamre, Isaak, Hagar,

Michael, Zion, Ohad, Nathan.

 

 

 

 

 

 

Die Sonne

 

Wintersonne,

 scheint Dir ins Gesicht,

 direkt ins Herz.

 Gibt ihre milde Wärme,

 taut alles auf, was kalt ist,

 trocknet alles, was geweint hat

in langen Nächten

 

 

 

 

 

Die Tochter

 

 

 

´S kommt der Heilige Tag, die Tanten ziehn dich aus, waschen dich, oben und unten, waschen dich, oben und unten, waschen dein Haar, waschen den Dreck von dir. Kleiden dich ins Weiß, in weißen Tüll, der Herrgott soll n schönen Anblick ham, weiße Socken, Söckchen, die Kommunionskette mit dem Jesus dran am Kreuz, die Kette sie zieht schwer, ist ja auch aus Eisen, bist ja auch mit Schuld an seinem Tod, mit Schuld dran.

 

Erstmal beten, mit den Alten, beten kann nie schaden, gerecht bist du Herr und gerecht dein Gericht, bist gerecht, warst es auch immer, auch damals, und wahr, drum flehe ich zu dir in Demuth, dass du mir nicht tuest nach meinen Sünden, die deine Strafe verdienen, erbarme dich meiner, ich bekenne dir meine Ungerechtigkeit und verschweige nicht, wie die Sünde auf mir lastet, strafe mich und züchtige mich, aber vergib mir, strafe mich, aber lass mich nicht verloren gehen in der Hölle, barmherziger Gott, unerträglich ist dein Zorn für alle mutwilligen Sünder.

 

 Pass auf! ´S ganze Kleid vollgekotzt, du blödes Ding.

 

 

 

 

 Zeichen

 

Sie erkennen sich, wie - ich weiß es nicht, wie sich Hunde erkennen, außm gleichen Zwinger, geschlagene, gequälte, frei dann, freigebissen, frei, sie erkennen sich an den Augen, wie Steine nach Regen, an den langsamen Augen, die nicht gleich hochschaun, erst warten, verharren, den kleinen Moment zögern, den kleinen Moment, der über alles entscheidet, übers Glück und übers Leid, das langsame Heben des Kopfes, ein Anheben des Kopfes, des Nackens, der langsame Blick nach links, hin zum Glück oder zum Leid, der Versuch, zu erkennen, ein schnelles Abtasten, ein schnelles Suchen, was echt sei, was falsch ist, der andre weiß, es sind Steine nach Regen, die er sucht, schon immer sucht, schon lange, das langsame Heben des Kopfes, den Blick nach links, das gleiche Zeichen, eingebrannt.

 

 

 

 

 

 

Der stumme Sohn

 

Hundert Leide, tausend Feuer

doch wenn dich die Flamme sticht,

mein Kind, warum weinest du mir nicht

Ist die Welt dir ungeheuer?

Sind des Rosenkranzes Perlen zart

Dir nicht einzeln Träume ewger Wonnen

Ist dein Gott dir nicht gesonnen

Dünkt dir die Ewigkeit zu hart?

Friert dir nicht im Wintersturme

Brennt dir nicht der Wüsten Sand

Stummer Sohn, wo ist dein Blick

Wo find ich dich in deinem Turme

Sind seine Mauern dein Geschick?

Der Liebe Wonnen und der Blüten Glanz

Was wir der Erde Glück benennen

Sind sie dir ganz zerronnen

Sollst du sie niemals kennen?

 

 

 

 

 

 

Der Autist Justin

 

Irgendwann lehnte er Sprache ab. Sie war für ihn wie ein Messer , eins das man in die Brust steckt und ein paar Mal rumdreht und gleich drin lässt fürs nächste Mal, für die nächste Woche, fürn nächsten Sonntag. So lehnte er Sprache ab. Er lehnte eigentlich nur ab, sie zu hören. Das selber nicht sprechen: es kam automatisch. Justin wollte auch seine eigene Sprache nicht hören, nicht mal die eigene. Autisten wollen ihre verdiente Ruhe. Und keine Sprache mehr:

 

„Sünder, Sünderkind, trink dies aus, es ist das kostbare Blut Jesu. An seinem Tod, am Tod am Kreuz, trägst du die Schuld, an seinem Foltertod am Todeshügel. Jetzt iss sein Fleisch, sein Totenfleisch, an dem sie klebt, deine Schuld. Iss das Fleisch deiner Schuld, auf dass dir so, auf diese Weise, Gnade sein kann, wenn dann der lebendige Tote ein gutes Wort für dich einlegt beim Herrn, am Tage des Jüngsten Gerichtes. Einlegt für dich: Missetäter und Mittäter auf dem Berg Golgatha. Ein gutes Wort einlegt bei Gott dem Herrn, welcher gerecht ist. Gerecht ist für dich das ewige Feuer, der ewige Tod im Feuer, der du die Nägel einschlugst, mit jeder deiner Sünden erneut einschlugst, die am schlimmsten zugerichtete Leiche aller Leichen zurichtetest. Die Hölle ist deine Gerechtigkeit, denn Vergebung ist die fast zu große Gnade. Und merke das Gebot: Du sollst nicht töten, du sollst nicht foltern, zu Tode foltern, besonders das Krippenkind nicht, das wehrloseste Kind, das heiligste Herz nicht, zur Weihnacht lag es dir noch im Arm: Deines Gottes Kind, das heilige Kind. Drum bete und hoffe. Und knie hin und hoffe. Und büße und hoffe und sei still. Sei still hier im Hause Gottes. Sei still!“

 

 

 

 

 

Wende

 

 

Gelbe Blätter warf ich zum Mond 

weiße trug ich der Sonne zu

Durchs feuchte Gras

gen Norden übers Eisan die Seeklippe

zum Süden übern Sand

zum Ende

Station macht ich

Sie brachten Honig und Milch

und klares Wasser

Der lange Weg

Rote Blätter holt ich vom Mars

Zog mit den Falken

die die Brände

überfliegen

die die schwarzen Vögel

vertreiben / töten

 im Abflug packen

 Roter Mohn wird wachsen

 und rotes Tuch gewebt

Wunden zu wärmen

verheilte

 

 

 

 

Die blinden Möwen

 

Ihr Silbermöwen, wir Kinder sprechen euch, verstehn euch, begreifen,

 rudern zu euch auf die Bänke bei Westwind, seid alt jetzt,

 ihr Möwen vom Silbersee.

 Meere und Berge und Täler und Gutes und Böses habt ihr gesehn

 und kennt das Warum.

Blind sagt ihr, seid ihr jetzt, und wir weinten

und ihr habt gelächelt, könnt fühlen den Wind umso mehr

und das kalte Licht der Monde in der Nacht.

Könnt hören umso mehr `s verirrte Rufen,

`s verwirrte Kinderrufen von den Klippen beim grauen Haus.

Haben kein Hindernis in den Lüften, sagt ihr

und finden euch in der Nacht und Leon,

dem wirs Mohnblatt bringen jede Nacht.

Und bringen die unruhigen Träume in die Hallen

und die kalten Dome und in die weißen Häuser am Strand

 

 

 

 

 

 Deya

 

Kühler Wind

in deinem blauen Haar

Gischt entkommt dem Meer

Pinien klammern am Stein

Felsgeschichtete Mauer

Noch Teer der Zeit

auf deiner blassen Haut

Qual der Winterjahre

Geschmack bezahlter Angst

Du stehst auf und gehst

Im Dorf hängt Rauch

Bewässerte Rosen

Stiller Duft von Staub

Die ersten Kirschen lächeln

Liegen warm in deiner Hand

Hältst fest des Südens Trost

 

 

 

 

 

 

 

Über den Wolken

 

Doktor, als Kind wars schön, dies stille Gebet in der Nacht, wo Hans so krank war, wo ers so schwer mit dem Magen hatte damals, dies Gebet, er möge helfen, s war Hilfe für mich in der Not - und Hilfe für mein Kind , s wär schad, wenns nicht son Gott hätte, was meinen Sie, Doktor.

 

Ja, ist schön fürn Kind, immer jemand zu haben - auch wenns alleine ist, immer jemand haben zum danken und bitten, s Kind sollte nur wissen, dass er nich immer helfen kann, auch wenn ers möchte nich immer kann, unds Kind sollte auch wissen, dass Gott die Liebe ist, stark und manchmal schwach, wie die Liebe nun mal ist, und dass sie in jedem Menschen ist, mal mehr, mal weniger, und dasses Kind immer einen Menschen bitten kann in der Not und weiß, es ist dann auch immer Gott, den man da bittet, die Liebe im Menschen, Gott im Menschen, und das kann ja auchn Trost sein, und vielleicht ist die Hilfe dann auch greifbarer, die Gotteshilfe, wenn sie vom Menschen her kommt, greifbarer als ne Hilfe von einem zwar nahen, aber doch so fernen Gott, einem Gott in den Wolken, über den Wolken.

 

 

Die Weisen

 

Die sie die Weisen nannten

waren unterm Haus

der Demenzkranken untergebracht

Es gab drei Zimmer

von denen meist eines oder zwei

besetzt waren

Bettzeug, das man zu Stricken

zerreißen konnte

und Metallgegenstände

waren unzulässig

Nachts konnten die Luken

geräuschlos verschlossen werden

Gespräche mit ihnen

durften die Pflegekräfte

und wir Assistenzärzte

nicht führen

und waren den Sicherheitskräften

vorbehalten

 

 

 

 

Das Gedicht

 

Sie sagen, es sind Verbrecher

Ich sage, es ist von der Angst

Sie sagen, sie sind feige

Ich sage, es ist ihre Angst

Sie nennen es Autismus

Ich sage, es ist nur diese Angst

Sie nennen ihren Gott

„die wahre Liebe“, „die reine Gnade“

Seinen Sohn einen möglichen Retter

 

Ich sage, es ist der Gott Sodoms,

der Gott ihres Feuers, der Gott ihrer Hölle

Sie nennen es Religion

Ich sage, es ist Herrschaft

und die Währung ist hart

Es ist das Geschäft mit unserer Angst

„Wir machen Dir eine große Freude“

 So besingen sie einen weinenden Gott.

 

 

 

 

 

The poem

 

 They say: They are criminals

I say: It´s from fear

They say: It´s cowardice

I say: It´s from fear

They say: It´s autism

I say: It is just from fear

They call their God the true love

 

I call him the God of Sodom,

the God of hell and fire

They say: It´s religion

But it is just might and easy money

It´s a business with that kind of fear

They say: “We give you great pleasure”,

but they sing to a weeping God.

 

 

 

 

 

 

Anna hängt sich auf

 

Anna war knapp acht,

da gab Mutter sie das erste Mal in der Kirche ab.

Sie war ein Kind der Liebe.

Sie bekam nie Hiebe.

Pastor Heuer erzählt ihr die Sintflutgeschichte:

„Anna, das ist eine große Hoffnungsgeschichte,

denn in der großen Wassernot,

erspart Gott Noah den Ertränkungstod.“

 

Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt.

Von zuhaus her kannte sie nichts von solcher Gewalt.

Die nächste Woche der Pastor erzählt,

was unsre Anna noch mehr quält,

wie Lots Frau aus Sodom rannte,

sich umsah und sah, wie ihre Stadt verbrannte

 

Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt,

von zuhaus her kannte sie nichts von solcher Gewalt.

Sie dachte an das Flammenmeer.

Sie sagte den ganzen Tag nichts mehr.

Die nächste Woche die Mutter wartet,

sie hatte Anna um vier erwartet.

„Trink sein Blut“, hat er gesagt, der Pastor Heuer,

„dann kommst du in den Himmel und nicht ins Feuer.“

Und dann hat der Pastor noch angefangen,

der am Kreuz sei für Annas Sünden ans Kreuz gegangen.

Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt.

Als man sie fand, da war sie schon kalt.

 

 

 

Der Engel

 

Mein kleiner Engel -

hatte der Vater immer gesagt.

Blond war sie wien Engel,

hat auch der Pastor gesagt.

Eines Tags hat der Engel geweint.

Wies scheint,

hat sie der Pastor getadelt,

sie habe Christus mit angenagelt.

Sie habe angefangen und

Sünden begangen.

Deshalb sei Christus gekommen

und habe s Kreuz auf sich genommen.

Dann lebte der Engel wie du und ich,

und dachte an andre und nicht an sich.

Sie wurde der liebste Mensch der Welt,

ihr zählte nicht Ehre und nicht das Geld.

Mit dreißig wurde sie von Sinnen,

sie schrie ganz laut und hörte Stimmen.

Mit vierzig ihre Mutter seufzt,

sie hat sich aufgehangen, in einer Kirche,

an einem Kreuz.

 

 

 

 

 

 

Andreas hat er geheißen

 

Andreas war ein stilles Kind,

so still, wie man nur wenge find.

Seine Schwester war im Meer geblieben,

das war auf Borkum, da war Andreas sieben.

Andreas kannte Adolf Hitler genau.

Andreas Vater sagte: „Hitler war ne alte Sau,

Opa Willi und die Juden hat er vergast.“

Andreas hörte das und wurde blass.

Dann kam der Pfarrer und hat geklingelt,

von Tür zu Tür ist er getingelt:

„Andreas braucht, das weiß ich schon,

um ein guter Mensch zu werden, die Kommunion.“

Zur Kirche ging er dann,

unser Andreas, der kleine Mann.

 

Da erzählte der Pastor vom Sodomfeuer,

Andreas stand auf und rief: „Gott ist ein Ungeheuer.“

„Wie kann nur Gott die Juden verbrennen,

und lässt nur Lot aus dem Feuer raus rennen,

dieser Gott, und das ist kein Spaß,

er ist gemeiner als Hitler mit seinem Gas.“

Da sind Pfarrer und Gemeinde aufgebraust,

sie riefen: „Raus hier Andreas aus diesem Gotteshaus.

Gott mit Hitler zu vergleichen,

das ist Sünde ohnegleichen.“

 

Der kleine Andreas lief weinend raus,

raus aus diesem gottlosen Gotteshaus

Bis zur großen Eiche ist er gekommen,

da hat er sich einen Strick genommen.

 

 

 

 

 


Wo sind die Opfer

 

Du fragst: Wo sind die Opfer?

In den Wohnungen des Todes

Und wo sie erzählen

vom Weltertränker, Verbrenner,

Kinderlebendigverbrenner

Deinen Kindern

Wo sind sie?

In Hiroshima, im fallenden Tower,

im brennenden Bus

Und wo sie erzählen

vom Gedankenleser der Sünden

deinen „sündigen“ Kindern

Wo sie ihnen seinen „Sohn“ offenbaren,

sein Feuerquälen offenbaren

sein Tag – und Nachtquälen

sein von Ewigkeit zu Ewigkeit Quälen

 

Wo sind sie?

Hinter Glas, aufgedunsen

Bewacht, eingeschlossen

Gefesselt ans weiße Metall

 

 

 

 Gott kotzt

 

Gott kotzt erst mal richtig

wegen seiner Anbetung

habn einen angebetet

der er gar nicht war

rumgerutscht auf den Knieen

habn die Hände gefaltet

habn einen Erdertränker angebetet

einen Gomorrha – Verbrenner

Judenkinderlebendigverbrenner

Hund- und Katzenverbrenner

Sohnimstichlasser

Krebspatientenimstichlasser

Aidspatientenimstichlasser

 

Bin doch die Liebe und kein Hitler

ruft er  und kotzt erst mal richtig

und möchte die nächsten hundert Jahre

auch nicht mehr angebetet werden

 

 

 

Der Waldsee

 

Du Tod bist ein Waldsee

Moosteppich kühlst meine Haut.

Flimmerndes Licht durchs Laub.

Blaue Blumen wie Veilchen.

Trinke Dein Bachwasser.

 

Im Mondlicht schickst Du die Berglöwin.

Die allwissende Getreue.

Kann ruhig liegen

die lange Nacht

an ihrer Seite.

Zwei Pfade ziehen

zu Deinen Ufern.

Du leitest mich zur Brücke

von den Spinnen gewebt

an Herbsttagen.

 

 

 

Beim Traumatologen

 

„Sie haben sich mit Leibeskräften festgehalten am Boot, an der Reling, Männer und Kinder und Frauen, wir hatten viel Schlagseite. Alle, alle wollten rein, warn wie hysterisch gewesen, hatte Riesenkräfte entwickelt, selbst die Kinder. Krochen die Planken hoch wie die Ameisen, wir konnten nichts andres tun, haben mit Planken auf die Hände geschlagen und mit den Rudern auf die Köpfe. Selbst Tiere versuchten hochzukommen, am schlimmsten warn die Ratten und die Katzen. Bis eine Katze tot ist, ´s ist unglaublich, bis ne Katze tot ist.“

„Wir müssen für heute Schuss machen, Haikal, wir sehn uns dann in der kommenden Woche.“

 

P.S. Haikal = die Ehefrau Noahs

 

 

 

Am langen Fluss

 

Ein Kind es spielte leise                  Ein Kind es spielte leise

Am schwarzen Neckarfluss            am schwarzen Neckarfluss

Und schaut auf stille Weise             Herr richte meine Reise

Und der Morgentau am Fuß            die ich jetzt gehen muss

War kalt wies Moos                         doch schenk mir Sünder Gnad

 

Vater, wo ist deine Hand                 Es schaut den schwarzen Turmbau

Die Wärme deiner Wange              Gott sieht und hört mein Tun

Kaum hab ich sie gekannt               wie sind die Wolken

Wie ist die Welt mir bange              nur Gutes will ich tun

Wie ist die Angst mir kalt                doch schenk mir Sündlein Gnad

 

Oh Gott, gib du mir Segen               Und heute ich dir schwöre

Vergib mir diesem Kind                   bei meines Glückes Freud

Beschütz du mich im Leben            mein Leben dir gehöre

Auch wenn wir Sünder sind             morgen und auch heut

 

Doch straf mich nicht so kalt           denn kalt ist es im Moos

 

 

Gedicht über den jungen Hölderlin

 

 

 

 

Im Gedenken an Nietzsche:

 

Sein letzter Kampf

 

Den letzten Kampf, den schwersten,          Wir sind nun stärker

ihn musstest du verlieren,                           denn dein Arm,

du kämpftest ihn zu früh,                             denn viele stehn im Glied.

konntst dich in ihm nicht wehren.                Wir stehen eng und warm,

                                                                     wos in den Kampf uns zieht

Wir kennen sie schon lange,

in unsrer Leber verkrochen,                         Auch er, der wahre Gott,

die schwarze Totenschlange,                       steht jetzt zur Wehr,

im Hirn den tödlichen Rochen.                     gelöst von Ketten Pein.

                                                                      Er ist das warme Herz in dir,

Du tötetest den stärksten Gott,                     kann dir kein Feind mehr sein.

den schlimmsten aller Götter,

den schlimmsten aller Sünder,

der verbrannt, ertränkt,  ganz ohne Not,

die Frauen und die Kinder.

 

Ein leeres Nichts hast du getötet,

und doch ein Bollwerk ohnegleichen,

unds Denken an der Hölle Qual,

es konnt in dir nicht weichen.

 

So gib das Schwert mir, tapfrer Mann,

ich will es gut verwalten,

so gut ich eben kann.

Der richtge Gott wird zu mir halten.

 

Des Wahnsinns harte Hand

strafte dein Unterfangen,

hart wie der Ziegel Wand,

voll Irresein und Bangen.

 

 

 

 

                                                            Die Titanen

 

Er ist doch kein Titan, sagte Leon

und ich lachte

Ich traf so einige

auf den weißen Fluren

wenn er sie nicht gerade fesselte

ans weiße Metall

und seinen Adler schickte

 

Die Götter mögen keine Titanen, Leon

Sie wollen nicht,

dass jemand den Menschen Feuer schenkt

denn mit Feuer überleben selbst die Schwachen

den kalten Winter im Kaukasus

Sie wollen grausam sein, unsere Götter

 

Wenn sie jung sind

erkennst du Titanen an den Wunden

wenn sie älter werden, an ihren Fragen

wenn sie noch älter sind, an ihrer Kritik

 

Warum Jahwe,

hast du den ersten Holocaust

an Juden gemacht

warum die Kinder

nicht vorher aussortiert

auf der Rampe  von Gomorrha

Warum hast du Hitler gezeigt

wie es geht

 

Wenn sie alt sind

erkennst du Titanen am Spott

wie sie die Götter verspotten

Wenn sie weise werden

und wissen

es gibt keinen Zeus

wird ihr Handeln weise

 

Wenn sie tot sind

haben sie ein kleines Loch im Rücken

 

 

 


Vorsichtige Anfrage

 

 

Steht das kleine Kirchlein an der alten Straße noch

Schützen noch die alten Eichen seinen hölzern Turm

Rankt der rote Rosenstrauch noch friedlich am Gemäuer

Halten die alten Ziegel noch im Wintersturm

 

 

Kommt der alte Pastor noch im schwarzen Kleid

Predigt euch von Sünde, Strafe und von Gott,

der als Richter war die Menschen leid

und ertränkt sie in der großen Flut

 

 

Wie er entzog den Menschen seine Gunst

Voll Zorn und Rache dann durch Sodom rannte

Und die Kinder auch verbrannte -  in der Feuersbrunst

Und keine Gnade kannte, und keine Liebe

Macht der Pastor Gott noch immer schlecht

Sagt er immer noch so jemand  sei gerecht

 

 

Steht der alte Pastor noch im schwarzen Kleid

Gibt er den Kindern noch den giftgen Trank

der Schuld – am Sonntag um die frühe Mittagszeit

Macht er immer noch die Seelen ihnen sterbenskrank

 

 

Rankt der rote Rosenstrauch noch friedlich

Wär mein alter Platz im Kirchlein noch immer frei

Singen unsre Kinderlein im Garten noch so schön

Läd die alte Bank zum sitzen mich noch ein

 

 

 

 

 

 

Der kranke Vater                            Florian, Autist, 11 Jahre

 

Mein Gott, willst Vater sein der Väter

Willst lieben mich ohn Unterlass

Und doch bist du der Sintflut Täter

Bestehst doch nur aus krankem Hass

 

 Mein Gott, willst Vater sein der Väter

Mich lieben ohne Unterlass

Und bist in Sodom doch der Täter

Lebendig Kinder brennen ist dein Spaß

 

Verbrennst auch unser Kinder Leiber

Feuer ist dein liebster Mord

Verbrennst auch unschuldige Weiber

Die Hölle ist dein liebster Ort

 

So, lieber Gott, so lass mich gehn

Ich hoffe auf den seelgen Tod

ich will  werden schizophren

Dein Zorn ist meine Not

 

 

 

 

Weihnacht

 

Wenn andre sangen,

war für manche der Tag verhangen.

Für die wars Kind geboren, auserkoren,

geboren zu werden, fürs qualvolle Sterben.

Wenn andre sangen,

warn viele schon bedrückt,

wenn die Glocken erklangen,

wenn die andern warn entzückt.

Geboren und dazu erkoren,

den Tod zu sterben in der Nacht,

den ein Gott hatte eigentlich uns zugedacht.

Um ja nur ein Opfer zu haben,

wie die Pastoren uns sagen.

Sie sagten uns, unser Gott sei zufrieden,

mit der einen Qual, mit der Sohnesqual,

drum schenke er uns hinnieden,

unsrer Seele den „Frieden“.

Nun sag ich für unsre Kleinen,

die in der Seele zur Weihnacht weinen,

heut wolln wir Gott auch beschenken,

indem wirs denken: das Vater hast du nie gemacht,

was die Kirche an Gedanken  dir zugedacht.

 

 

 


 

 

„Gottes“ Hölle

 

Als sich ihr Unbewusstes

erste Mal bewusst wurde,

ihr Leib kommt in die Hölle,

ins Feuer, verwandelte es sich

in einen einzigen Schrei.

Im ganzen Irrenhaus war er zu hören.

Das zweite Mal

war es lediglich eine Kreuzigung.

Das dritte Mal

war es lediglich Entsetzen.

Das vierte Mal

ging sie freiwillig,

dieses Entsetzen näher zu studieren.

 

Eines Tages kam dann dieser Gott.

Da hat sie ihn nur ausgelacht.

Er verzog sich.

Voller Scham

 

 

 

 

 

Für immer (in Memoriam Patient O.)

 

Für immer sprach der Pastor da,

zum kleinen Kind vor dem Altar.

Für immer wird die Warze weg sein,

die Heilerin, sie möchte gut sein.

Doch überdenke, kleines Kind,

dort hinzugehen, war große  Sünd.

Für immer mag die Warze weg sein,

doch der Teufel wird nun  für immer

in dir drin sein. Und dich in

seine Hölle mitnehmen.

Für immer, dachte unsre Anna da,

vor den dunklen großen Altar.

Für immer, auch in Ewigkeit.

Für immer und für alle Zeit.

 

Mit dreißig ist die Depression gekommen,

hat Anna in die Pflicht genommen.

Für immer, dacht ihr Herz beklommen,

da hat sie´s Leben sich genommen.

Dies erzählte mir ihr Mann,

der´s immer noch nicht fassen kann

 

 

 

 

 

 

Ein Stück TNT 

 

In typischer Weise war sie am Handgelenk festgemacht. Die Kette und der Ring waren aus Stahl und seit Jahren war der Ring zu eng. Die Haut durchgescheuert. Wo sie den vielen Stahl her hatten, wir wissen es inzwischen. Sie war noch in recht frischem Zustand, Wasser und Brot hatte sie genug gehabt. Aber die Augen waren schon flatterig. Zwischen ihm und den weißen Bergen gingen sie unentwegt hin und her. Sie wusste, dass er kam. Sie erkannte ihn an den Narben. Sie wusste, was passieren würde. Sie sprach nicht,  wieder nicht. Eine von den Vielen, die nicht sprechen und ihre Sprache hatte er sowieso nie recht verstanden. Sie sprach nicht. Entweder aus Angst nicht, oder weil man auch ihr die Zunge rausgeschnitten hatte. Auch über ihre jetzige Angst sprach sie nicht. Sie schaute auf die Berge und auf ihn. Das TNT war etwas feucht geworden, aber genug trocken war es.  Am großen Ring klebte er es an, eine große Portion. Er wusste, es war die sichere Portion. Der Ring würde wegfliegen und irgendwas von ihrer Hand würde wegfliegen, und auch sie wusste es. Und auch ein Stück Liebe zur Kette würde wegfliegen, das wussten beide, er hoffte, die ganze Liebe, alle Liebe zur Kette. Er konnte zwar begreifen, aber er wollte es nicht begreifen. Irrsinn, eine Kette zu lieben, dachte er noch, hatte es immer gedacht.  Irrsinn, die zu lieben, die einem die Zunge rausschnitten oder einen verrückt machten oder beides. So war er ganz ruhig. Und sie sprach nicht, nicht über ihre Angst, was passieren würde, mit der Hand, und mit der Liebe. Was das Vakuum füllen sollte. Sie war dann aber ruhig, beruhigt. Beruhigt, wie routiniert er es machte, ohne Zweifel jetzt. Ganz mechanisch, wie einer, der nicht mehr überlegt, die Überlegungen abgeschlossen hat. Der sich ganz auf das Wesentliche konzentriert, der weiß, was er tut. Er kommt über den großen weißen Berg, dachte sie noch, und er schwankte dort oben. Es war aber nicht der Tod, es war die Qual ewigen Sterbens.

 

 

 

 

 

 

Das Lied                     eine Rückführung

 

Ich bin nicht sanft

Nenn mich nicht Kamille.

Die Tochter der weißen Löwin

Des Kampfes Schlacht mein Wille

Des Gegners Fall Gewinn

 

Statt sanfter Liebesnächte Pracht,

Zeig ich dir die dunklen Dome,

ihr Feuer und des Blutes Macht,

Der Kinder Angst und Frone


Die Hölle, die dein Geist verlacht,

Brennt ihnen schwarz im Innern

Das Grauen in der Taufe Nacht

Ich komm, Dir´s zu erinnern

 

Sünd und Schuld, des Domherren Lied,

Dem folg ich ohne Rast

Wo´s Kinder in die Höllen zieht

Wo du als Kind geweinet hast

 

 

 

Das Schema

 

Überlassene Hoffnung, ausgeliehen

bist nicht umsonst

Dornenbrot, anderes gab man Dir nicht

verlorenes Lachen

 

nahmst ein Elend für das andere

Sterben im Takt des Schemas

Kontrollgang ans Ende

Neonflure tauschtest

gegen den weiten Wind

 

Hattest nicht einmal die Wahl

trafst ihn nicht der sagte

geht nur, trink den Wein ohne Hast

und wenn Du müde bist dann kommt.

 

 

Ingeborg

 

Roter Stein

letzter Flug

ins Nichts

und so schwer

für Dich

 

Harter Stahl

an Deiner Stirn

letzter Freund

und Feind

für Dich

 

Verdammte Angst

zu erwachen

und zu leiden

bittrer Trank

für Dich

 

Letzter Weg

und keine Hand

in Deinem Haar

und kein Wort

 

für Dich.

 

 


Ende