Narzissmus                                  von Frank Sacco

 

 Vorwort Müller: Narzissmus steht für Selbstverliebtheit und unterschiedliche psychologische, soziale, kulturelle und philosophische Konzepte. Frank Sacco, Doktor der Medizin, erklärt den Unterschied zwischen primärem und sekundärem N. und den Zusammenhang mit Minderwertigkeitsgefühl, Depression usw. (Bild: AdinaVoicu, pixabay).

 

Narzissmus                            von Frank Sacco

 

 

Nach der griechischen Mythologie weist der allseits umworbene Jüngling Narziss aus Stolz auf seine Schönheit alle Verehrerinnen und Verehrer zurück. Echo, eine Bergnymphe, verliebt sich so sehr in Narziss, dass sie seine Zurückweisung nicht übersteht. Sie vergeht – im Wortsinne – aus Liebeskummer, bis nicht einmal mehr Knochen von ihr bleiben. Nur ihre Stimme überdauert als Echo in Höhlen und Bergen. Einer der verschmähten Liebhaber ruft die Schicksalsgöttin an, Narziss mit einer Liebe zu strafen, die unmöglich erfüllt werden könne (wiki). Die Schicksalsgöttin straft Narziss mit unstillbarer Selbstliebe. Aus einer Selbstliebe wird durch Strafe eine unstillbare Selbstliebe. Er ist demnach nicht primär pathologisch narzisstisch, sondern eher, hier infolge einer Strafe, sekundär. Er muss sich unstillbar in sein eigenes Spiegelbild verlieben, das er im Wasser einer Quelle sieht; auch er kann das Objekt seiner Liebe nicht erreichen und verwandelt sich im Tode in eine schöne Blume, eben in eine Narzisse.

 

Narzissmus, was ist das überhaupt  für eine furchtbare Sache? Der übliche (sekundäre) Narziss ist primär meist überhaupt nicht in sich verliebt, wie ein echter, primärer Narziss. Im Gegenteil. Er leidet als Kind unter seinen ihm bewussten, ihm bewusst gemachten  Schwächen (und eingeredete Schwächen), so gering diese auch sein mögen. Zwecks Rettung seines angeschlagenen Selbstbewusstseins beginnt er ein Rollenspiel und gibt sich einen sicher wirkenden, ja überlegenen Anstrich. Er bekämpft so sein Minderwertigkeitsgefühl.  Mit den Jahren verfestigt sich diese Rolle und wird für eigen angenommen. Im Unbewussten regiert aber immer noch die Meinung, man sei unvermögend. Stört jemand die Rolle oder deckt gar analytisch den Hintergrund komplett auf, resultieren entweder Depression, ein Schweigen oder Aggression. Im Falle der narzisstischen Psychiatrie habe ich Schweigen und Aggressionen wahrgenommen, sobald ich berechtigte Kritik an meinen dortigen Kollegen äußerte.  Doch: Wir alle sind Narzissten, weil wir frühkindliche Kränkungen bearbeiten müssen. Oft kommt auch Gutes dabei heraus. Ein durch falsche Erziehung klein gemachtes Wesen entwickelt sich zu einem Gelehrten. Selbstliebe hat also auch etwas Gutes, wenn sie im Rahmen bleibt.